Seit mehreren Wochen laufen bei den Anti-Coronamaßnahmen-Aufmärschen in Flensburg auch auffällige Männer in Tarnjacken umher, stellen teils gezielt die erste Reihe der Demo oder bilden bewusst den Schluss der Demo. Einer von ihnen, Pascal Fischer, hatte bis vor wenigen Wochen auf facebook als Profilbild eine schwarze Sonne mit dem Spruch „Der Sieg wird unser sein“. In der Mitte außerdem das Truppenkennzeichen der SS-Division Totenkopf und im Hintergrund ein Reichsadler.

Im zweiten Weltkrieg, im Jahr 1942, wurde der Spruch „Der Sieg wird unser sein“ samt Soldat und Hakenkreuz auf Kriegspropagandaplakaten der Nazis verwendet. Die SS-Totenkopfverbände waren zuständig für die Konzentrationslager der Nazis und verübten außerdem zahlreiche Massaker an Zivilist*innen und Kriegsgefangenen. Das Symbol der schwarzen Sonne wird von Rechtsradikalen sehr gern anstelle des verbotenen Hakenkreuzes benutzt.

Es ist eindeutig, wofür die Truppe rund um Pascal Fischer steht. Dass mindestens einer von ihnen unter seiner Tarnjacke eine Stichschutzweste trug, während er eine Pressfotografin in ihrer Arbeit behinderte, passt dazu. Und auch die Quarzsandhandschuhe, die einige von ihnen tragen, sprechen für sich.

Dennoch bietet die Internetseite „flensburg-news“ der Gruppe eine Plattform, um zu verbreiten, sie seien keine Nazis. Wörtlich heißt es dort unter einem Tarnjacken-Gruppenbild auf dem auch Fischer gut zu erkennen ist: „Wir die Tarnjacken Einheit sind weder Nazis noch soll irgendjemand Angst vor uns haben. Wir tragen die Jacken als Wiedererkennung und unterstützen die älteren, schwächeren Menschen. Wir wurden gestern auch sehr oft angesprochen und konnten einige Dinge persönlich aus der Welt schaffen.“ Verwunderlich ist eine solche Eigendarstellung nicht, glaubwürdig allerdings auch nicht. Auffallend ist auch, dass bei „flensburg-news“ ein Halbsatz aus dem Originalzitat von Kitty Kaiser-Fischer fehlt. Dort drängt sich bei der Formulierung nämlich viel eher der Charakter als Schlägertruppe mit dem Ziel, antifaschistische Menschen anzugreifen, auf: „Wir tragen die Jacken als Wiedererkennung und unterstützen die älteren, schwächeren Menschen, wenn einer von den tollen Antifanten meinen sie könnten sich an ihnen austoben“.

Werfen wir daher einen genaueren Blick auf „flensburg-news“: Als „unabhängig“ und „neutral“ beschreibt Marco Winkler sein mindestens seit Januar 2022 bestehendes Projekt. Teil seiner „Neutralität“ ist neben der gänzlich unkritisch wiedergegebenen beschönigenden Selbstdarstellung der „Tarnjacken-Einheit“, auch Wahlwerbung für Jan Petersen-Brendel von der AfD. Letzterer nahm auch häufig an den „Spaziergängen“ teil.

Und auch ein Kommentar von Winkler zu einem unserer Artikel spricht für sich. Er schreibt: „Das ihr für eine generelle Impfpflicht steht, ist ja bekannt und auch aus den Bannern die ihr mitführt ersichtlich.“ Das ist schlicht falsch. Es mag wohl sein, dass er das für wahr hält, aber es ist halt einfach gelogen. Das zu glauben geht nur, wenn er uns niemals zugehört, keines unserer Flugblätter gelesen und mehrere unserer Transparente ignoriert hat. Darauf schrieben wir beispielsweise schon vor Monaten „Ja zum Impfen, Nein zur Pflicht“. Wir fordern eine Freigabe der Patente, aber an keiner Stelle eine Impfpflicht. Und zwar deswegen, weil wir gegen eine Impfpflicht sind. Das mag nicht in sein Klischee von uns passen, aber hätte er unseren Reden mal „neutral“ oder „unabhängig“ zugehört, statt nur über uns zu reden, wäre es ihm vielleicht aufgefallen.

Weiter schreibt Winkler „Euer Hauptanliegen scheint ja aber zu sein, das eine gewisse Rechtsoffenheit bestünde.“ Die Formulierung legt nahe, dass er keine Rechtsoffenheit sieht. Unsere Lust, auf seinen Kommentar ernsthaft einzugehen ist nicht besonders groß, da er seine Nachfragen nicht wirklich ernst zu meinen scheint. Immerhin kommentiert er dies unter einem Artikel, der die Rechtsoffenheit anhand konkreter Personen auf den Aufmärschen in Flensburg belegt. Keine oder geringe Probleme mit rechten Inhalten sind aber bei jemandem, der auf instagram dem AfD-Spitzenkandidaten Jörg Nobis und einem Hells-Angels-Onlineshop (der auch Klamotten mit NS-Symbolik vertreibt) folgt, auch wenig verwunderlich.

Eine repräsentative Studie von Cemas (https://cemas.io/blog/protestpotential/) hat unter den Anti-Coronamaßnahmen-Protestierenden und Protestbereiten eine Zustimmungsrate von 37% zu der Aussage ermittelt, die aktuellen Maßnahmen seien mit der Zeit des Nationalsozialismus vergleichbar. Solche Vergleiche stellen eine geschmacklose Verharmlosung der Gräueltaten und Massenmorde im deutschen Faschismus dar. Die hohe Zustimmungsrate zeigt, dass solches Gedankengut nicht nur von einigen wenigen, sondern im Schnitt von 4 von 10 Protestierenden geteilt wird. Wir reden hier also nicht von Einzelfällen, sondern von einem strukturellen Problem. Dieses strukturelle Problem ist entstanden, weil sich diese Bewegung seit zwei Jahren einen Dreck dafür interessiert, etwas gegen rechte Tendenzen in den eigenen Reihen zu unternehmen.

Winkler fragt außerdem, wie eine Distanzierung möglich sei. Die Frage suggeriert, es gäbe dazu den Willen in den Reihen der Protestierenden. Den gibt es nicht, also ist die Frage, wie es konkret aussehen könnte auch vollkommen müßig. Wäre es gewollt gäbe es eine Menge Wege dazu und das dürfte Winkler auch klar sein. Winkler geht es darum, Antworten zu provozieren, die er dann als Beleg heranziehen kann, dafür, dass es vermeintlich gar nicht möglich sei. Aber das ist Bullshit. Um die Frage in der Sache dennoch zu beantworten: Klare Ansagen an alle AfD-Politiker*innen, dass sie unerwünscht sind, klare Ansagen (online wie offline, in Chats, auf Schildern, auf Buttons, auf T-Shirts, auf Transparenten und v.a.) in direkter Ansprache an sämtliche Zugehörige der „Akademie Engelsburg“, dass sie unerwünscht sind (weil die „Akademie Engelsburg“ faschistisch ist), klare Abgrenzung an Leute aus dem Umfeld der NPD, deutliche Distanz zu Musikern, die mit prominenten Antisemiten kooperieren, klare Abgrenzung in den Chatgruppen. All das wäre möglich.

Die nächste Frage, wenn wir das vorbringen, lautet klassischerweise, woran die Rechten denn erkennbar seien. Ganz einfach: Die Demonstrierenden wüssten es, würden sie uns zuhören oder unsere Texte lesen, statt uns niederzubrüllen. Die Links zu unseren Texten in ihren Chats gleich zu löschen beispielsweise, ist exakt das Gegenteil dessen, was helfen würde, Rechte zu erkennen.

Winklers letzte Frage an uns, ob sich Zugehörige der rechten Szene an Kleidung erkennen ließen, wollen wir, auch wenn es wirklich absurd ist, das überhaupt sagen zu müssen, auch noch beantworten: Wir haben zu keinem Zeitpunkt behauptet, rechte Teilnehmende ließen sich ausschließlich oder überhaupt an der Kleidung erkennen. Aber bei einigen geht auch das mit Gewissheit (wenn sie Thor Steinar Klamotten tragen beispielsweise, auch das hatten wir in Fl schon). Aber, wie erwähnt: Die Demoteilnehmenden haben keinerlei Problem damit, mit Nazis zu laufen und viele von ihnen sagen genau das auch ganz offen. Es fehlt nicht an der Möglichkeit, sich zu distanzieren, sondern am Willen.