In Freiheit wäre es mir nie in den Sinn gekommen über solch banale Dinge wie duschen oder einkaufen zu schreiben, aber hier…

Duschen

Um gleich mal ein paar Klischeés richtig zu stellen: Ja, ich kann mich in der Dusche problemlos nach der Seife bücken, ohne dass schlimme Dinge passieren 🙂
Es gibt im Flur ein großes Badezimmer mit drei Duschen und sogar einer Badewanne. Ein bisschen könnt ihr euch das vorstellen wie die Duschen in Schwimmbädern – weiße Kacheln und alles ist in der Wand festgeschraubt. Ein handgeschriebener Zettel an der Wand warnt vor Schimmelpilzen – ich kann keine entdecken, auch sonst sieht alles sauber aus. Das Bad ist abschließbar, also kann frau problemlos alleine duschen. Nur nach dem Sport wird es zeitlich manchmal knapp, wenn alle gleichzeitig und rechtzeitig vorm Einschluss ins Bad wollen. Heute habe ich mir ein Bad gegönnt – die Entspannung tat gut, aber ich bin nicht lang drin geblieben, weil ich Angst hatte, dass es Mitgefangene stört, wenn ich so lange das einzige Bad besetze.

Einkaufen

Nachdem wir am Mittwoch unseren Bestellschein abgegeben haben konnten wir heute unsere Bestellung abholen. Alle wurden nacheinander in den Eingagnsbereich unten geführt, um die Ware entgegen zu nehmen. Dort stand ein Verkäufer von Massak hinter einem Tisch. Hinter ihm türmten sich grüne Kisten und eine Tiefkühlbox. Die Rpeise waren teilweise höher als im Laden, aber auch nicht viel. Hier ist meine Einkaufsliste – vielleicht hat ja jemand Lust die Preise mit denen im Laden zu vergleichen?



Die Produkte stammen zum Großteil von der „Gut und Günstig“-Reihe von Edeka. In einigen Knästen sind die Preise wohl deutlich teurer als im Ladne. Dass die Preise hier nicht viel höher sind leigt wohl daran, dass vor einigen Jahren mit den Bestell-Einkäufen begonnen wurde. Davor gab es einen Krämer mit eigenen Räumen im Knast, bei welchem das Warenangebot kleiner und die Preise höher waren.
Die Massak GmbH beliefert deutschlandweit Knäste. Dabei wird die Bestellung abgepackt, ohne dass der/die Einpackende weiß, an wen diese ausgeliefert wird. So soll verhindert werden, dass Drogen in den Knast geschmuggelt werden. Knäste sind mit die größten Abnehmer für bandenmäßig organisierten Drogenhandel.

Besuch bei der Psychologin

Mir geht es psychisch zwar gut, aber eine Mitgefange hatte mir den Tipp gegeben unbedingt mal bei der Psychologin vorbei zu schauen. Hauptsächlich ging es im Gespräch um Smalltalk wie meine Langeweile im Knast oder mein Studium. Sie erzählt mir, dass Psychologie an der Fernuni ein besserer Studiengang für mich gewesen wäre. Am Ende mache ich mir ein wenig Sorgen, ob ich zu sehr auf ihre Schweigepflichts-Bekundungen vertraut habe und dabei ein wenig ins Plappern gekommen bin. Besonders als mir wieder einfällt, dass es durchaus üblich ist, dass es durchaus üblich ist, dass PsychologInnen im Knast auch Gutachten über Gefangene schreiben.

Am Ende fragt sie mich, ob sie mir noch etwas sagen kann, was ich vielleicht nicht hören mag. Als ich nicke, beginnt sie mit grimmiger Miene zu reden (sinngemäß): „Die Frauen hier brauchen keinen Blog, sie brauchen Hilfe. Alles was die ihnen erzählen sollten sie durch 10 teilen. Diejenigen, die ihre Kinder umgebracht haben oder ihnen dreckige Spritzen gaben, um sie ins Krankenhaus zu bringen, werden ihnen das nicht erzählen. Sie sind naiv und haben nicht das erlebt, was diese Frauen durchgemacht haben. Seien Sie froh darüber. Für Sie ist es ein Verlust Ihrer Freiheit – für viele Frauen ist es eine Entlastung hier zu sein. Es gibt Frauen, die genau wissen, wie viel sie bei Rossmann klauen müssen, um im Winter in den Knast zu kommen. Das wissen Sie nicht, oder? Die Beamten sind nicht alle böse, sondern versuchen zu helfen.“

Dazu nur soviel: Das viele dieser Frauen Dinge wie eine Unterkunft, regelmäßiges Essen, medizinische und psychologie Versorgung brauchen und außerhalb des Knasts nicht bekommen ist mir klar. Dass viele Frauen erst durch Knäste von ihren prügelnden Ehemännern wegkommen auch. Aber ist es nicht ein ziemliches Armutszeugnis für unsere Gesellschaft, wenn Menschen erst eingesperrt werden müssen, sich gar einsperren lassen, um an diese Dinge zu kommen? Genau das ist es, was ich meine, wenn ich davon rede, dass Strafe und Knast keine gesellschaftlichen Probleme lösen. Dass es durchaus nett wirkende sich ehrlich um die Häftlinge bemühende VollzugsbeamtInnen gibt, weiß ich ebenfalls – ich durfe einige selbst kennen lernen. Ich glaube sie hat an dieser Stelle meine Kritik an Knästen nicht richtig verstanden. Ich werfe WärterInnen und PolizistInnen nicht pauschal vor, dass sie Arschlöcher sind – ich werfe ihnen vor, dass sie durch ihren Job dazu beitragen ein System am laufen zu halten, dass mehr Schaden als Nutzen anrichtet und gleichzeitig gesellschaftliche Machtungleichgewichte aufrecht erhält. In den Knästen landen doch vor allem Menschen, die sich eh weit am Rande der Gesellschaft bewegen und kaum Einfluss haben. Ich glaube nicht, dass irgendjemand in den Knast gehört. Selbst MörderInnen und VergewaltigerInnen nicht. Bei Mord/Totschlag liegt die Wiederholungsrate fast bei Null. Bei Frauen konnte man vor 20 Jahren fast sicher sein, dass diese ihren Ehemann umgebracht hatten, nachdem dieser sie jahrelang drangsaliert, vergewaltigt und misshandelt hatte. Dass diese Art von Mord heute weniger üblich ist liegt, wie ich vermute, an leichter zugänglichen Scheidungsmöglichkeiten. Auch bei Vergewaltigungen hilft ein achtsam begleiteter Täter-Opfer-Ausgleich den Betroffenen oft mehr bei der Verarbeitung wie Statistiken zeigen. Eine zeitweise Trennung von TäterIn und Opfer sollte auch möglich sein, ohne den/die TäterIn einzusperren. Insofern interessiert es mich herzlich wenig was die Frauen hier getan haben – niemand gehört in den Knast! Die Knast-Etikette verbietet es auch solche Fragen direkt zu stellen.

Offener Vollzug?

Heute Vormittag wird mir mitgeteilt, dass ich am Montag in den offenen Vollzug wechseln könnte. Eigentlich auch schon heute, aber am Wochenende wird eben nicht gewechselt. Ich bin zwar erst wenige Tage im Knast, aber ein Stück von dem typischen Misstrauen hab ich mir schon angeeignet. Also bin ich angesichts dieser Ankündigung erst mal skeptisch. Zu Recht, wie sich später herausstellt. Bei einem Gespräch erklärt mir die Abteilungsleiterin, dass das mit dem offenen Vollzug noch gar nicht entschieden sei. Ich käme dafür in Frage, weil die Fluchtgefahr und die Missbrauchsgefahr (Drogenkonsum oder physische Gewalt) gering genug sei. Endgültig entschieden wird das erst bei der Besprechung am Montag. Auch die Wiederholungsgefahr sei bei mir gering – ich hätte zwar angekündigt weiter mit Torten zu werfen, aber sie glaubt nicht, dass ich das im Knast tun werde. Desweiteren erklärt sie mir die Vorteile vom offenen Vollzug: Die Gitterstäbe vor den Fenstern fehlen, ich kann jeder Zeit an die frische Luft und darf ein Handy besitzen.
Das mit dem Handy könnte schwieriger werden. Ich hab keins dabei und die Paketmarke dafür kann ich erst wieder am Montag beantragen. Mal schaun, ob das noch rechtzeitig bei mir landet. Ich freue mich darüber noch einen Bereich kennen lernen zu können. Finds aber auch schade, weil ich das Gefühl habe gerade erst so richtig hier angekommen zu sein und auch schon erste Kontakte zu Menschen bestehen.

Bücherei

Heute wird der – gestern wegen Personalmangels ausgefallene – Büchereibesuch nachgeholt. Die „Bücherei“ hat die Größe einer Zelle – nur das beide Wände bis zu den Decken mit Büchern vollgestellt sind. Es dürfen immer drei Gefangene gleichzeitig rein, die anderen stehen in einer Schlange vor der Tür. „Büchereien“ sind von Knast zu Knast verschieden: In einigen Knästen gibt es nur ein kleines Regalbrett mit Groschenromanen im Flur, in anderen ganze Räume. Diese hier scheint gut ausgestattet: Krimis, Thriller und Romane überwiegen, aber es gibt auch praktische Anleitungsbücher, Exemplare des Strafvollzugsgesetzes, Brettspiele und Sprachlern-Bücher. Bis zu sechs Bücher kann jede Gefangene ausleihen. Ich nehme mir den nächsten Harry Potter-Band (den 5ten hatte ich gestern fertig) und ein Fitnessbuch mit dem reißerischen Titel „Trainieren wie im Knast“. Beim Klappentext muss ich schmunzeln. „In einem Gefängnis kann bloße Muskelstärke über Leben und Tod entscheiden.“ und „eine logische und wirkungsvolle ‚zero-to-hero‘-Progression“ heißt es dort. Na denn.
In der Bibliothek fragt mich wieder eine Gefangene, ob ich die aus der Zeitung bin. Als ich nicke, gibt sie mir grinsend einen freundlichen Klapps und erzählt mir lachend von der Knast-Absperrung während unserer Kundgebung. Die Geschichte hatte ich euch ja schon erzählt. (Im Übrigen: Ich versuche bei solchen und anderen Geschichten immer möglichst nah an meinem Erleben und dem, was mir so erzählt wird, zu bleiben. Mit Emotionen und politischer Analyse, aber ohne Wertung oder Beurteilung. Letzteres überlasse ich euch.) Zum Abschied wünscht sie mir alles Gute und gibt mir den Tipp lieber keine Bücher zu verleihen. Die wären dann nur schwer wieder auf zu treiben.

Wäsche waschen

Wäsche waschen wird zentral von anderen Gefangenen übernommen. Montag bis Freitag sind je einer Kleidungsart zugeordnet: Bunte Wäsche, weiße Wäsche, etc. Das ist auch nötig, weil die Knast-Kleidung nicht aus den klischéehaften organen Anzügen besteht, sondern aus ganz normaler Straßenkleidung.
Die Wäsche wird abends abgegeben und am nächsten Mittag wieder ausgeteilt. An Hand der eingebrannten Nummern-Patches kann zugeordnet werden, was zu wem gehört.
Hier ist das zum Glück nicht so, aber in anderen Knästen gibt es wohl so abstrus-sexistische Regelungen wie dass ein Frauenknast die Wäsche für die lokalen Männer-Knäste wäscht. So werden gesellschaftlich-patriarchale Muster unreflektiert weiter geführt.