Am 20.02.22 um 13:12 organisierte Fridays for Future Flensburg (FFF Fl) eine Demo bezüglich des Jahrestages der Bahnhofswald (BaWa) – Räumung. Um die hundert Demonstrierende versammelten sich an der Hafenspitze und wurden von Anfang an von einem großen Polizeiaufgebot begleitet was ungewöhnlich für FFF Demos ist. Nachdem sich der Demozug bei strömendem Regen in Bewegung gesetzt hatte, gabs sowohl vor der Polizeistation, als auch beim Rathaus eine Zwischenkundgebung. Ab dem Rathaus wurde die Demo, mit Blick auf ein Transparent, von der Polizei abgefilmt und parallel Kontakt zur Staatsanwaltschaft aufgenommen (Aussage der Polizei) wegen angeblich strafbaren Inhalten auf dem Transpi. Auf dem Transparent stand „Jede Räumung hat ihren Preis“ mit einem stilisiertem Polizeiauto mit Flammen drum herum und einem ACAB Tag drauf.
Das Transpi war für die Besetzer*innen emotional aufgeladen, da es während der BaWa Räumung letzten Jahres zwischen den Bäumen hing und nachts das Auto von Bullen aus dem Transpi geschnitten wurde. Es wurde von Aktivistis repariert und symbolisiert, dass viele Geschehnisse noch nicht aufgearbeitet sind und Repressionen gegen die Aktivisti noch immer andauern. Nachdem der Demozug am BaWa angekommen war und eine feministische Rede einer Besetzerin auf Machtdominanzen und Mackertum bei den Bullen aufmerksam gemacht hat, haben sie das Transpi den Aktivistis gewaltvoll entrissen. Dabei kam es zu Schubsereien, physischen Angriffen, unnötiger und unverhältnismäßiger Eskalation von Seiten der Polizei auch auf umstehende junge Demonstrierende. Die Person, der die Polizei das Transpi schlussendlich entriss, wurde von den Bullen mitgenommen für eine polizeiliche Maßnahme und gilt laut Bullenaussage als „Tatverdächtiger“ (lol, gendern haben die echt nicht drauf). Kurz nachdem die Maßnahme beendet wurde, sind die Bullen aus der Stadt verschwunden und die festgesetzte Person wurde freigelassen.
Die Demonstration wurde nicht nur physisch vor Ort von der Polizei, sondern im nachhinein verbal von verschiedenen Leuten und rechten Trollen auf social media angegriffen. Kurz nach der Demo veröffentlichte FFF Fl ein laut shz „fragwürdiges Instagram-Posting“ (sic!). FFF Fl schrieb: „Wir verurteilen diesen Angriff auf unsere friedliche Demo aufs schärfste und sagen ganz klar: Bullen verpisst euch aus unseren Demos! Und gebt uns das Banner zurück!“. Darauf gab es zahlreiche Reaktionen von Solidaritätsbekundungen, bis hin zu Hass und Gewaltdrohungen. Laut einigen User*innen sei FFF Fl selber schuld, dass die Bullen in die Demo eingegriffen haben und das Transpi beschlagnahmt hat, doch selbst gemessen an ihren eigenen Regeln war der Einsatz der Polizei vollkommen unnötig brutal und unverhältnismäßig (was wiederum für kaum kritische Nachfragen auch in der shz sorgte). Auffällig ist auch mal wieder, dass die meisten negativen Kommentare von ‚weißen gut situierten Männern‘ kamen, die teilweise von Rassismus gegen weiße geredet haben und vollstes Verständnis mit der Polizei haben. Dies zeigt mal wieder, dass viele nichts verstanden haben und sich auf ihren Privilegien ausruhen, ohne sie bewusst wahrzunehmen.

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Folgend ist die längere Version der Rede aus feministischer Perspektive angehängt:

Ich möchte hier die Chance nutzen, um Props an all die FLINTAs – also Frauen, Lesben, Inter, Nicht-Binäre, Trans und Agender – im aktivistischen Kontext auszusprechen, die mich und andere andauernd durch ihr Durchhaltevermögen, ihre Stärke und ihre Kämpfe empowern und Kraft geben. Sie übernehmen oftmals Aufgaben, die kein Lob bekommen, die nicht gesehen werden und unersetzbar sind.  
Klimabewegungen sind geprägt von FLINTAs die sich für eine nachhaltigere Zukunft einsetzten und sich kümmern.

So waren auch im BaWa hammer viele FLINTAs beteiligt, die den Kampf um den Bahnhofswald geführt haben. Sowohl während der gesamtes Zeit, in der der BaWa besetzt war, als auch bei der Räumung waren sie nicht nur zahlreich auf den Bäumen, sondern auch auf dem Boden sehr aktiv, haben Strukturen aufrecht erhalten und haben sich gegen die Ausübenden partiarchaler Verhältnisse gestellt, die für die Zerstörung des Waldes und für den Schutz der Zerstörer gekommen sind. 
Auch Strukturen, die versuchen Utopien zu leben oder jedenfalls gewisse Ansprüche in diese Richtung haben, sind nicht frei von patriarchalen Strukturen. So war auch der BaWa nicht frei von sowas.

Ich weiß noch, wie ich in der Nacht zum 19. Februar von der Person neben mir im Forsthaus aufgeweckt wurde und ich mich mit dem Satz „Ich glaube nicht an Räumung“ umgedreht habe, um weiter zu schlafen, um dann im nächsten Moment schon aus dem Schlafsack gesprungen zu sein, alarmiert durch das Geräusch von Kettensägen. 

Ich weiß noch, wie verzweifelt ich war und nicht wusste, wie am besten zu Handeln. Um mich herum Chaos, Schreie, überall fallen kleine Bäume, Traversen werden durchgeschnitten und auf einer Traverse zwei Bäume weiter von meinem Baumhaus der Mensch, der wenige Stunden zuvor zu mir aufs Baumhaus geklettert ist und sich neben mich in die Schlafhöhle des Forsthauses gekuschelt hat. Weitere Verbindungen wurden gekappt. Die Sonne geht langsam auf. Erschöpft und verzweifelt, bis eine weitere – im Übrigen richtig krasse – FLINTA Person den Weg zu uns gefunden hat und es uns nur so möglich war, mit unserem Baumhaus zwei weitere Außenstellen zu supporten und zu halten. 

Ich weiß noch wie überrascht einer der Baumfäller war, der auch anderen Anweisungen gegeben hat, dass er auf unserem Baumhaus weitere für ihn weiblich gelesene Menschen vorfand und es ihn auf widerlichste Art amüsierte und anspornte. Wie ihm seine Macht gefallen hat und er mir so lange in die Augen geschaut hat und immer weiter auf mich zukam, dass er nicht mal merkte, dass ich ihn filmte. Wie schnell er sein Messer gezückt hat um eine Plane die ihm im Weg hing zu zerfetzen, und dann alles gegeben hat, um zu verhindern, dass der Mensch auf der Traverse versorgt werden kann mit Essen, Trinken und warmen Sachen. 

Ich weiß noch, was für ein kurzes perfides Gefühl der Erleichterung sich in mir ausgebreitet hat, als ich hörte, dass die Bullen da sind und die Baumfäller aufforderten aufzuhören. Dieses Gefühl ist schnell wieder verflogen, denn sie haben es nicht mal wirklich versucht, die Baumfäller aufzuhalten, im Gegenteil, die Baumfäller hatten noch genug Zeit durch den Wald zu rennen und noch fast jeden Baum anzuringeln, der für das Hotel sterben musste. 

Ich weiß noch, wie die Secus sich mit den Bullen besprochen und dann zusammen gearbeitet haben. Die neuen Secus, die sich unter meinem Baumhaus positioniert haben, beschwerten sich, dass diese Position langweilig sei, da sie dort keine weiblich gelesenen Menschen mehr umtackeln können. Ich fühle noch immer den Hass, denn damals wusste ich nicht um den Ablauf. Ich hörte nur Schreie und sah nicht viel mehr außerhalb meines Spektrums wo schon so viel passierte. Ich merke, was das mit Betroffenen macht. Ich merke wie viele von uns die Geschehnisse noch nicht aufgearbeitet haben. Ich könnte kotzen, wenn ich die Ignoranz meiner Universität sehe, die diese Secu Firma seit Corona engagiert, um Eingänge zu kontrollieren und sich nicht damit auseinandersetzen will, dass diese Firma enorm viel Scheiße fabriziert hat – es heißt aus Seiten der Uni, die Secus seien doch eigentlich ganz nett und die Leute die gerne in ihren Büros sitzen, haben ja nichts von der Gewalt mitbekommen. Doch es gibt uns, die Studierenden, die bei der BaWa Räumung dabei waren und die diesen Menschen immer wenn sie ein Uni Gebäude betreten wollen, ihren Ausweis zeigen und sich mit ihnen auseinander setzen müssen. Alte weiße Männer an der Uni verstehen nicht oder wollen nicht verstehen, warum wir ein Problem mit denen haben. 

Ich weiß noch, wie sich die Bullen geweigert haben, Personalien von irgendwem aufzunehmen, die was mit Duschkewitz und Hansen zu tun hatten. Wie es nicht gereicht hat uns nachts auszuleuchten, sondern wie Bullen über Nacht noch aufmucken mussten, mit Taschenlampen in die Fenster geleuchtet haben und uns keinen Moment der Ruhe gegönnt haben. Wie sie sich dagegen gestellt haben Periodenprodukte aufs Baumhaus zu lassen und dann wahrscheinlich Angst hatten, dass meine Drohung wahr wird und sie mit meinem gesammelten Blut beschmissen werden und es dann schlussendlich doch zugelassen haben. Sie schaffen es noch nicht einmal Menschen, die in ihrem Gewahrsam sind mit richtigem Pronomen anzusprechen.  

Ich weiß noch, wie wir uns alles aus dem Leib geschrien haben, um darauf aufmerksam zu machen, dass sich ein Seil in einer Maschine verheddert hat und fast den Baum umgeworfen hat, in dem noch ein Mensch hing. Und das war bei weitem nicht die einzige lebensgefährliche Situation. 

Ich weiß noch, wie mich einer der Bullen filmen sollte – doch anstatt auf den Display zu schauen um zu kontrollieren, was er filmte, starrte auch dieser mir lieber direkt in die Augen um seine Dominanz und Machtposition mir gegenüber klar zu stellen. 

Ich weiß und fühle es noch immer, wie unglaublich schmerzlich und wütend mich jeder Gedanke zum BaWa nach der Räumung gemacht hatte. Wie ich mich ein Jahr später noch immer kaum mit der Thematik auseinandersetzen kann und will. Viel zu viel ist in mir dort kaputt gegangen, was sich nun in Hass und Trotz äußert. 

Ich weiß aber auch noch, wie unglaublich gut es tat, jede einzelne Person von euch zu sehen und zu wissen, dass ihr da seid. Wie krass der FLINTA Support war. Selbst in den Momenten wo mein Körper und ich komplett drüber waren, konnte ich mit anderen gemeinsam lachen, weil ich meine Freund*innen nah hatte und sie alles bis zum Schluss gegeben haben. Menschen, auf die ich mich verlassen kann und mit denen es Spaß macht, gemeinsame Kämpfe auszutragen.

Es ist die patriarchale, kapitalistische und rassistische Ideologie, die den Planeten und alles was sich darauf befindet als ausbeutbar und verwaltbar ansieht.

Ausübende dieser Ideologie sind zwar primär Männer, wie es uns auch anhand des BaWas bildlich vorgeführt wurde, durch die beiden Investoren Duschkewitz und Hansen, die Baumfäller, die Sekus und den Bullen, aber auch FLINTAs waren daran beteiligt. 

Die Liste ist Lange

Es gibt viele Kämpfe zu kämpfen – und wir fangen hier vor Ort an und hören nicht auf.
Wo wir aber grad schon mal bei Simone und unseren gemeinsamen Kämpfen waren: 
Unter den Ausübenden patriachaler Verhältnisse fällt auch die Kirche hier in Flensburg mit ihren Machthabern, die gebärfähige Körper kontrollieren wollen und für die Selbstbestimmung ein Fremdwort ist. 

Also: Nein zu kirchlich geführten Krankenhäusern, die zu tief in ihrem patriarchalem Sumpf stecken und alte weiße Männer über gebärfähige Körper fremdentscheiden und diesen verwalten wollen. 

Nein zu allem, wofür Wälder abgeholzt werden sollen! 

Nein zu weiteren Räumungen, wie die der Bunnies Ranch! 

Nein zu Spaziergängen, die nicht nur rechtsoffen sind, sondern ein Nährboden für rechte Ideologien, dessen Verbreitung und gewaltvolle Umsetzung sind und wo sexistische Kackscheiße Gang und Gebe ist. 

Nein zu diesem ganzen partriachalen, kapitalistischen und rassistischen Scheiß! 

Es können noch so viele Bullen in die Stadt kommen, wir sind hier und wir kämpfen weiter. Wir haben Solidarität, wo sie nur Repressionen kennen. Wir haben Utopien und Kritik, wo der Staat nur Geld und Macht sieht. 

Ein kleines P.S.:

Immer wieder werde ich jetzt von Bullen im Rahmen von Protesten gegen die Schwurbelei gefragt, was nicht mit mir stimmt, sagen, ich sei unnormal. I take the compliment. Auch ihr formt mich in meinem Sein und als Subjekt. Euer Verhalten ist für meinen Hass und Trotz verantwortlich. Euer Normalitätsbegriff ist binär, sexistisch, cis-männlich toxisch, rassistisch und vieles mehr. Euer Normalitätsbegriff schränkt Denkweisen ein und hilft euch nicht Dinge zu hinterfragen, sondern eher Dinge als gegeben anzusehen. 
Für mehr unnormales Verhalten immer und überall!