Die Flensburger Querdenker*innen hatten für den 30.1.22 eine unangemeldete Lichterkette rund um den Hafen angekündigt. Anders als in den Wochen zuvor gab es für diesen Montag sogar ein Mobilisierungsvideo und tatsächlich folgten dem Aufruf auch rund 200 rechtsoffene Coronaverharmloser*innen. Die staunten nicht schlecht, als ihr Stammplatz an der Hafenspitze belegt war von einer angemeldeten Demonstration „gegen rechtsoffenes Geschwurbel und Coronaverharmlosung“. So hatte die Polizei auch spürbar größere Hemmungen, ausschließlich die antifaschistischen Proteste zu schikanieren. Zwar konnte die stationäre Kundgebung an der Hafenspitze den Aufmarsch durch die Stadt nicht verhindern, aber den Schwurbler*innen zumindest einen der prominentesten Plätze streitig machen.

Gegenüber den letzten Wochen war die Stimmung deutlich aufgeheizter und so kam es in der Innenstadt zu einer skurrilen Situation: Mehrere Hundert „Spaziergänger*innen“ kreisten den antifaschistischen Gegenprotest ein und brüllten „Nazis raus“, interessierten sich aber überhaupt nicht für die Antwort der eingekesselten Gegendemonstrant*innen, die darauf hinwiesen, wo in den Reihen der „Spaziergänger*innen“ auch exakt in dem Moment sich Rechte befanden. Beispielsweise Thomas K., der regelmäßig an den Spaziergängen teilnimmt und auch bei einem Treffen der faschistischen Gruppierung Akademie Engelsburg teilnahm. Ein mehrminütiges Video des Vorgangs wurde später selbstbewusst als „Gänsehautmoment“ beschrieben online gestellt – auch auf diesem ist Thomas K. gut zu erkennen. Er selbst scheint, das nur nebenbei, übrigens nicht mit zu rufen bei „Nazis raus!“. Laut mit gerufen hat hingegen Rapper Twanie (direkt neben Thomas K., beide ganz links im screenshot zu sehen), der mit Antisemit Xavier Naidoo zusammen Musik macht.

Und auch direkte Begegnungen mit einzelnen werden spürbar aggressiver. So versuchte am 22.1.22 Thomas I., der auf mehreren Engelsburg-Treffen war, einer Fotografin ihre um den Hals gehängte Kamera zu entwenden, indem er sie an dem Kameraband hinter sich her auf die Straße zog. Thomas I. ließ erst davon ab, als mehrere dazugekommene Personen einschritten. Am 24.1.22 wurde eine Person beim Schwurbel-Sticker entfernen, von hinten mit einem Stock angegriffen. Die angegriffene Person konnte den Schlag abwehren, dadurch erhielt sie keine Verletzungen, aber der im Rucksack mitgeführte Laptop wurde stark beschädigt. Und am 29.1.22 wurden unabhängig voneinander zwei Personen aus dem „Spaziergang“ heraus gezielt angegriffen und verletzt.

Das eigentlich Erschütternde daran sind nicht nur die Gewalteskalationen an sich, sondern auch der Rückhalt, den die Täter*innen in den Reihen der radikalisierten Coronaverharmloser*innen haben. Dort scheinen wirklich hunderte von Menschen zu glauben, der Gegenprotest sei faschistisch und würde vom Staat bezahlt. Als „Nazifa“ (was auch immer das bedeuten soll außer plumper Diffamierung) wurde der Gegenprotest beschimpft. Es entbehrt jeder Logik, aber ein Teil der Protestierenden wähnt sich ernsthaft im Widerstand gegen Diktatur und Faschismus, weshalb alle, die sich ihnen in den Weg stellen, zwingend Faschist*innen seien. In den telegram Gruppen herrscht tatsächlich die Auffassung, dass wir auf die rechten Akteur*innen nur hinweisen würden, um mit der „Nazikeule“ eine Bewegung zu diskreditieren, die mit Nazis nichts zu tun habe. An diesem Glauben wird verblendet festgehalten, selbst wenn das Gegenteil offenkundig ist: Hitlergrüße, Nähe zu AfD und NPD, Antisemitismus, Sexismus, Homophobie, Gewalt, Holocaustleugnung.

„Apropos recherche. Hat mal jemand recherchiert wie gut holztüren bei gaskammern funktionieren Ich frage für einen freund“ postet bei telegram beispielsweise ein ben wonka im Chat von Flensburg für Grundrechte. An anderer Stelle schreibt er von „schuldkult“. Kein Einzelfall: Erst vor wenigen Tagen wurde ebenfalls bei Flensburg für Grundrechte ein Video beworben indem die Existenz des Vernichtungslagers Treblinka geleugnet wird. Zwar wurden solch eindeutige Botschaften in diesem Chat auch wieder gelöscht, aber auch das bietet den Schreibenden dann wieder Futter, um sich als Zensuropfer zu inszenieren: „Dachte wir sind freigeister man? Man darf jeden Genozid hinterfragen ausser…? Ja moin“. Der Vollständigkeit halber: ben wonka wurde mittlerweile tatsächlich von Alexander Kuhn aus dem Chat geworfen.

Konfrontiert mit solchen Posts bemühen sich die Querdenker*innen entweder zu betonen, sie seien unterwandert von einigen wenigen Rechten oder die Posts seien garnicht echt (oder wahlweise „nur Provokation“) und würden von uns gefälscht um deren Bewegung zu denunzieren. Oder sie sagen ganz offen, dass sie mit Nazis kein Problem haben, wie hier in einem Beitrag von berlin direkt vom 30.1.22: „Ich bin nicht für Nazis, aber auch nicht gegen Nazis“ (https://www.zdf.de/politik/berlin-direkt).