Wer kennt es nicht? Die Corona-Warn-App leuchtet in einem satten rot, nicht allzu ungewöhnlich während einer Zeit, in der die Inzidenzwerte weit über 1000 liegen.
Doof allerdings ist es, wenn Halsschmerzen dazu kommen.
Also ab zur Teststation auf der Exe. Während der Wartezeit erinnere ich mich an einen anderen Tag, als ich vor der Teststation wartete. An diesem Tag füllte sich der Parkplatz, viele Autos mit Kennzeichen SL, NF und auch PLÖ trafen ein. An einem Auto entdeckte ich einen Q-Anon-Sticker (#WWG1WGA). Einige nicht besonders sympathisch wirkende Männer laufen an mir vorbei, gekleidet in tarnfarbene Jacken. Ich erinnere mich an Unterhaltungen wie „Ich habe extra meine Nagelfeile ausgepackt“ und Schilder mit Bezug zu den COVID-Maßnahmen. An diesem Tag fand eine als Spaziergang „getarnte“ Demonstration der Schwurblis statt. Es fielen einige herablassende und überhebliche Sprüche in Richtung der Wartenden, später gab es mehrere Berichte von Gewalt gegenüber dem Gegenprotest. Nichts davon hat mich leider überrascht.

Eine Woche später:
Ich liege auf dem Sofa. Der PCR-Test war positiv, ich habe trotz des Boosters einen symptomatischen Verlauf: Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Fieber, Abgeschlagenheit, Konzentrationsprobleme, Husten. Die meisten Symptome sind nach etwa 14 Tagen verschwunden, aber was ist mit meinem Umfeld? Ich mache mir Sorgen um meine sozialen Kontakte. Habe ich jemanden angesteckt? Werde ich mich mit Long-Covid herumschlagen müssen?

Während der Quarantäne bilden soziale Netzwerke eine Brücke in die Außenwelt. Was ich dort sehe, bereitet mir allerdings oft noch mehr Sorgen.
Im Telegram-Kanal „Flensburg für Grundrechte“ wird über die „Impf-Gestapo“ diskutiert, besonders wichtig erachtet eine teilnehmende Person, ob es nicht vielleicht „Impf-Gestapo*innen“ heißen müsste. Eine einzige Person im Chat widerspricht an dieser Stelle und es fällt dieser Person auf, dass die Taten der Gestapo damit verharmlost werden. Das einzige Problem daran scheint jedoch zu sein, dass dies eine „Steilvorlage für Subtilus und Co.“ sei. Die widersprechende Person wird daraufhin im Chat niedergemacht und es spricht sich niemand für sie aus oder unterstützt sie. Außerdem wird über den „Schuldkult“ geschrieben. So sieht also die Solidarität der Schwurblis untereinander und ihr Abstand zu Nazis aus…

In der Telegram-Gruppe „Raum für Gedanken SL/FL“ wird über Lauterbach geschrieben. Man kann Politiker*innen kritisieren, damit habe ich wenig Probleme. Wenn jedoch eine geistige Behinderung als Beleidigung genutzt wird oder Morddrohungen ausgesprochen werden, hat das meiner Ansicht nach nichts mehr mit Kritik zu tun. Und ist meilenweit entfernt von den Friede, Freiheit, Demokratie-Mantras der Schwurblis.

Ich lese bei Twitter noch einige Beiträge zu Angriffen auf Pressevertreter*innen und werde wirklich wütend. Krank, Zuhause isoliert und in dem Wissen, dass Menschen in Flensburg gezielt angegriffen werden, geht es mir auf dem Sofa noch viel schlechter. Ich möchte wieder fit sein! Ob ich wohl sofort genesen werde, wenn ich fest daran glaube, dass es Corona gar nicht gibt? Oder noch ein paar Zuckerkugeln lutsche und meditiere? Für alle Möglichkeiten fühle ich mich nicht fit genug, daher schließe ich Telegram und Twitter für diesen Tag. Der Wetterbericht sagt kein gutes Wetter vorher. Wolkig mit Aussicht auf Nazis und Schwurblis am nächsten Montag also…

PS: Wer Hoffnung hat der Spuk gehe vorüber, wenn Corona nicht mehr das Geschehen bestimmt, täuscht sich. Im Chat „Flensburg – Selbstbestimmt Leben“ beispielsweise wurde schon explizit darüber geschrieben, als nächstes käme dann der „Klimaschwachsinn“…