Aus Anlass der Gründung einer Flensburger Regionalgruppe der „Akademie Engelsburg“, einer menschenverachtenden Mischung krudester Verschwörungen und Strömungen (mehr dazu hier), haben wir uns genauer mit dem völkischen Anastasia-Kult beschäftigt, da in der Akademie Engelsburg Anastasia nahezu gottgleich verehrt wird.

Wir widmen uns im folgenden sowohl dem Antisemitismus und Sexismus der Romanvorlage „Die klingenden Zedern Russlands“, als auch einer Betrachtung rechts-esoterischer Siedlungsprojekte in Deutschland nach Anastasia Vorbild. An der ein oder anderen Stelle werden wir auch die uns bekannten Bezüge zur Akademie Engelsburg und deren Oberguru Martin Laker aufzeigen.

Wer diese Infos lieber anhören möchte, findet die Recherche als zweiten Teil einer Sendereihe des freien Radios Fratz zu den Engelsburgern hier: https://soundcloud.com/radiofratz/akademie-engelsburg-teil-2-anastasia

Der erste Teil der Sendereihe beinhaltet eine allgemeine Einführung zu Martin Laker und den Engelsburgern (zum nachhören: https://soundcloud.com/radiofratz/akademie-engelsburg-teil-1)

Wir beginnen mit einem Zitat aus der Zeitschrift „der rechte Rand“, konkret aus der Sonderausgabe über Rechte Ökos, denn darin gibt es einen sehr guten Einstiegsartikel zur Anastasia-Bewegung.

Aus Russland in die Welt
Die Anastasia-Bewegung entstand in den 1990er-Jahren im russischsprachigen Raum und basiert auf dem zehnbändigen Buch „Die klingenden Zedern Russlands“ von Wladimir Megre. Zuerst in Russland und Osteuropa, später auch im deutschsprachigen Raum, entstand eine Bewegung, die Megres Ideen umzusetzen versucht. Laut Aussagen des Autors wurden weltweit bereits 11 Milllionen Exemplare verkauft. Die Romane erschienen zwischen 1999 und 2011 in deutscher Übersetzung. Darin beschreibt Megre seine phantasierte Begegnung mit einer Figur namens Anastasia, die ihr geheimes Wissen mit ihm teilt. Anastasia wird als Botschafterin eines uralten Volkes, des Volksstammes der Wedrussen vorgestellt. Sie sei unbeeinflusst von der Zivilisation und im Besitz „paranormaler“ Kräfte. Laut Megres eigener Geschichtsschreibung soll die Menschheit in einem angeblichen „Wedischen Zeitalter“ 990.000 Jahre in direktem Kontakt zu Gott in einem Paradies auf Erden gelebt haben. Heute sei jedoch die Gesellschaftsordnung der Gegenwart völlig vom Bösen durchdrungen – es herrsche das „Zeitalter der Dunkelmächte“. Der einzige Ausweg: die Lehre Anastasias.
Im Kern der „Anastasia“-Bewegung stehen die sogenannten Familienlandsitze, auf denen Vater, Mutter und Kinder in Verbindung mit ihrer Scholle autark und unabhängig leben sollen. Das naturnahe ländliche Leben in ethnisch homogenen Gemeinschaften stellt das Ideal völkischer Siedlungsprojekte dar. In Deutschland soll es bisher siebzehn solcher Familienlandsitze geben.

In der wikipedia lesen wir im Eintrag zur Anastasia-Bewegung, alleine in Deutschland würden etwa 800 Anhänger*innen in landwirtschaftlichen Siedlungen leben.

Bevor wir noch einen etwas genaueren Blick auf mehrere der in Deutschland bestehenden Anastasia-Siedlungsprojekte werfen, wollen wir zunächst in die Bücher gucken.

Die Bücher

Die grobe Handlung der Bücher besteht darin, dass der Autor schildert, wie er selbst, Wladimir Megre, in der Taiga die deutlich jüngere, blonde, schöne Anastasia kennenlernt. Neben einer romantischen Beziehung beschreiben die Bücher in erster Linie Anastasias Weltsicht. Während sie zu Beginn so wirkt, als würde sie die Taiga nicht verlassen, wo sie vermeintlich im Einklang mit der Natur lebt, macht sie in späteren Büchern durchaus auch Ausflüge in die Welt des Autors in der Zivilisation. Die Bücher sind maßgeblich davon geprägt, dass sie so erzählt sind, als seien die Begegnungen real und als habe sich darüber dann eine Debatte in Wissenschaft und Gesellschaft um Anastasias Existenz und ihre Thesen entwickelt, die dann wiederum in folgenden Büchern aufgegriffen wird. Möglicherweise ist genau dieser pseudo-autobiografische Erzählstil des Autors einer der Gründe, warum aus der Romanfigur Anastasia eine Art vermeintlich wirklich existierender Gottheit wurde.

Wir haben uns im folgenden nicht chronologisch, sondern thematisch orientiert und behandeln Antisemitismus, Rassismus, Rollenbilder und Telegonie. Und danach haben wir noch ein paar ganz besondere Specials mit Fantasy- und Action-Elementen für euch rausgesucht, denn auch das hat die Romanreihe zu bieten.

Beginnen wir mit dem Antisemitismus.

In Band 6 „Das Wissen der Ahnen“ werden zunächst zahlreiche Verbrechen gegen jüdische Menschen aufgelistet, um daraus dann folgendes abzuleiten:

Da das schon mehr als ein Jahrtausend geschieht, kann man den Schluss ziehen, dass das jüdische Volk vor den Menschen Schuld hat. Aber worin besteht die Schuld? Die Historiker, die alten wie die neuen, sprechen davon, dass sie Verschwörungen gegen die Macht anzettelten. Sie versuchten alle zu betrügen, vom jungen bis zum alten. Von einem, der nicht sehr reich sei, versuchten sie, wenigstens etwas wegzunehmen, und bei einem Reichen seien sie bestrebt, ihn ganz und gar zu ruinieren. Das bestätigt die Tatsache, dass viele Juden wohlhabend sind und sogar auf die Regierung Einfluss nehmen können.

Es wird dann weiter behauptet, die Juden wiederum müssten den Leviten (also einigen wenigen jüdischen Priestern) Geld geben, aber hier wird es dann noch wirrer, deswegen zitieren wir dazu keine Ausschnitte. In Band 7 wird gemutmaßt, ob die Leviten ihrerseits auch Juden seien oder nicht, jedenfalls regieren sie vermeintlich die Welt und steuern die Juden, die ihrerseits Geld anhäufen würden. Auch dazu ein Zitat:

Und so werden die Juden schon seit Jahrtausenden in verschiedenen Ländern verfolgt und geschlagen. Wofür werden sie denn bestraft? Dafür, dass sie mit allen Mitteln versuchen, so viel Geld wie nur möglich in ihren Händen zu konzentrieren. Und vielen von ihnen gelingt das auch ganz gut. (…) Alle wohlhabenden Juden, egal in welchem Land sie sich gerade befinden, sind verpflichtet, einen Teil ihrer Gewinne an die Leviten abzuführen.

Sie müssen sich nicht einmal um die Sicherheit und die Vermehrung ihres Geldes sorgen. In vielen Ländern der Welt bestehen die Bankvorstände aus Juden und das ist ihre Aufgabe. Wenn es erforderlich ist, können die Leviten natürlich auch den Bankprofis einen Ratschlag geben, welche Anlagen momentan vielversprechend sind. Sie können allerdings auch ihre Empfehlungen abgeben, welches Regime, welche Gruppierungen oder Oppositionsbewegungen zu unterstützen oder mit Hilfe von finanziellen Intrigen zu vernichten sind.

Eine kleine Gruppe von Menschen steuere mithilfe aller Juden faktisch die ganze Welt. Lupenreineren Antisemitismus kann es kaum geben. Klassisch für die Anastasia-Bücher folgt nun der Versuch des Autors, Kritik zu entkräften und Fragen, die sich in der bisherigen Debatte um die Bücher ergeben hätten zu beantworten.

Bisher haben manche Leser an Anastasias Behauptung, die wahre Regierung der Welt würde nur aus einer kleinen Gruppe von Priestern bestehen, noch gezweifelt. Nach dem Aufbau der obigen logischen Kette dürfte es nun keine logisch denkenden Menschen mehr geben, die Anastasias Aussagen weiter anzweifeln. Die Fanatiker werden hier nicht mitgezählt.

Nun denn, dann zählen wir wohl zu den unlogisch denkenden Fanatiker*innen. Bevor wir mit dem Abschnitt zu Antisemitismus fertig sind und dann Rassismus beleuchten, wollten wir jedoch einen Gedanken mit euch teilen: Verbrechen gegen Juden und Jüdinnen zwar anzuerkennen, damit jedoch den eigenen Antisemitismus zu begründen, erinnert uns an den Antisemitismus von Verschwörungserzähler Ken Jebsen, der folgendes behauptet hat:

„Das grausame Schicksal der Überlebenden der europäischen Juden hat die Nachfahren stumpf gemacht gegenüber dem Leid anderer Menschen. Ihr Grausamkeitslevel verläuft auf einer vom Holocaust gefrästen Vernichtungskurve. Diese ist und war in all ihren Aspekten pervers und taugt nicht als Orientierung für eine humanere Welt.“

Hier behauptet Jebsen also, Juden und Jüdinnen seien gerade wegen des Holocaust abgestumpft und unfähig, eine humanere Welt aufzubauen. Eine dreistere Verhöhnung der Opfer und Nachfahren ist schwer denkbar.

Sowohl der Antisemitismus von Anastasia-Autor Megre als auch der von Ken Jebsen ist insbesondere deswegen gefährlich, weil oberflächlich die Grausamkeiten des Holocaust anerkannt werden, dann jedoch eine Umdeutung erfolgt, die doch wieder aus den Jüd*innen die Bösen macht. Das Anerkenntnis der eigentlichen Verbrechen macht solche Erzählungen anschlussfähiger und schwerer zu enttarnen, weil diese Sorte Antisemitismus versucht, sich gegen Antisemitismusvorwürfe zu immunisieren.

Dieses Phänomen wird „sekundärer Antisemitismus“ genannt. Laut Wikipedia lehnt dieser Juden nicht trotz, sondern gerade wegen des Holocaust ab. Er speist sich in Tätergesellschaften aus Schuldabwehr und dem Bedürfnis nach „Täter-Ofper-Umkehr“ und passt Motive des traditionellen, „primären“ Antisemitismus den aktuellen Zeitumständen an.

Es lässt sich festhalten, dass antisemitische Muster und Stereotype und eben auch einige offenkundige Beispiele wie die zitierten sich durch die gesamte Anastasia-Buchreihe konstant hindurchziehen, ohne dass dabei insgesamt eine stringente Ideologie entwickelt würde.

Martin Laker, der Oberguru der Akademie Engelsburg, betont, unsere Ahnen hätten „gar nichts schlimmes gemacht, das wurd nur so verdreht, dass wir glauben, dass die was schlimmes gemacht haben und dass wir uns von denen distanzieren und das ist falsch!“. Dieses Zitat lässt zwei Deutungen zu: Entweder die, dass der organisierte Massenmord der Nazis an mehreren Millionen Juden und Jüdinnen, Sinti, Roma, politischen wie religiös verfolgten Menschen nie stattgefunden habe oder das das nicht schlimm sei. Welche Deutung auch immer: Martin Laker ist ein widerlicher Faschist!

Widmen wir uns jetzt dem Rassismus zu.

Es folgt ein Zitat aus Band 10, Kapitel 11 „Zwei gegensätzliche Brüder“:

Die beiden jungen Männer waren gleich groß und von athletischem Körperbau. Äußerlich ähnelten sie sich sehr, allein die Farbe ihrer Augen und Haare war anders. Der eine war hellblond und blauäu­gig, der andere hatte dunkles Haar und schwarze Augen. «Sei gegrüßt, kleines Mädchen!», wandte sich der Dunkelhaa­rige an sie.
(…)
«Einen schönen Tag und angenehme, lichte Gedanken!», konnte Anasta die jungen Männer begrüßen. «Stopp!», unterbrach der Dunkelhaarige Anasta. «Wie unselig, immer wieder solche unbedachten, auswendig gelernten Floskeln anhören zu müssen! Wir sind doch zu zweit hier, und ich bin dun­kel. Was soll es also, mir lichte Gedanken zu wünschen? Ich bin dunkel, und meine Gedanken sind dunkel und aggressiv. So bin ich, und das ist auch meine Bestimmung im göttlichen Programm!», ereiferte sich der Dunkelhaarige. «Wäre ich ein lichter Schwach­kopf, ein Helldenker, dann wäre ich nicht, der ich bin. Verstehst du? Hopp – und ich bin verschwunden. Dann bleibt vor dir nur ein blonder Taugenichts. Wir sind aber zu zweit, kapiert? Du solltest also nicht so reden, als sei nur der lichte Kerl hier. Zieh deine Ge­danken zurück, wenn sie tatsächlich hinter deinen Worten standen, wenn deine Worte nicht einfach nur papageienhaftes Geplapper waren.»

Die beiden Brüder denen Anasta, das ist die Tochter Anastasias, hier begegnet seien eigentlich zwei Wesenheiten der kosmischen Energien, ihre sichtbare Erscheinung nur verdichtete Luft. Anasta begegnet hier also dem personifizierten Guten und dem personifizierten Bösen. Und jener mit dunklen Haaren und dunklen Augen ist aggressiv und möchte Anasta zur Weltherrscherin machen.

Ich, mein Mädchen, bin die Ver­körperung aller dunklen Kräfte des Universums, und wenn du dich mit mir vereinst, werden wir zu einer unüberwindlichen Kraft wer­den. Ich habe einen geheimen Plan, und du wirst sein Wesen verste­hen und mir helfen. Wir werden alle Menschen zu unserem Spielzeug machen. Wir werden mit ihrem Verstand spielen. Ich werde dich zum Macht­haber der Menschheit machen.

Demgegenüber, wir ersparen uns und euch mehr Zitate, steht der blonde Bruder. Er ist höflich, freundlich und zuvorkommend. Rassistische Stereotype par excellence.

In den Anastasia-Romanen wird erzählt, Menschen gäbe es seit Milliarden von Jahren auf der Welt, alles sei „vollkommen erschaffen worden“ und stünde „untereinander und innerhalb des Weltalls in Verbindung“. Ohnehin habe der Mensch im All auch eine Bestimmung, die wir in Band 6 „Das Wissen der Ahnen“ erfahren.

Die Vorbestimmung des Menschen liegt darin, alles ihn Umgebende zu erkennen und Herrliches im Weltall zu schaffen, das Ebenbild der irdischen Welt in anderen Galaxien zu vollenden und in jedem neuen Werk dem Irdischen etwas eigenes Schönes mit hineinzutragen.

Der erste Zeitraum menschlichen Lebens auf der Erde sei das wedische Zeitalter und das sei paradiesisch, es habe weder Herrscher noch Krankheiten gegeben, Menschen seien 200 Jahre alt geworden und im Winter von Eichhörnchen und Bären mit Essen versorgt worden. Es werden immer wieder wedische Bräuche genauer erläutert, wie beispielsweise die Trauung. Teil dieser Bräuche ist auch der Aufbau von Familienlandsitzen, deren genaue Beschaffenheit in den Romanen an verschiedenen Stellen beschrieben ist. Heutige Anastasia-Anhänger*innen bezeichnen sich selbst oft als Weden (manchmal auch als Wedrussen) und beziehen sich auf dieses Familienlandsitz-Konzept, was nur all zu deutliche Blut-und-Boden-Ideologie reproduziert.

Völkische Argumentationsmuster durchziehen auch die Videos der Akademie Engelsburg. Laker schildert beispielsweise seine großdeutsche Zukunftsvision mit den Worten „Schweiz und Österreich gehören ja auch mit dazu denn wir sind ja die deutschsprachigen Völker“

In den Engelsburger Neuigkeiten vom 25.Mai 2021 betont Laker zunächst die „göttliche Schöpfung“ sei „kunterbunt“, aber wenn er erlebe, wie „jemand eine Gruppierung mit einer anderen zusammenmatscht“ habe man „keine zwei unterschiedlichen Farben mehr, sondern man geht ins Mischen“. Und genau das sei es, was „die Globalisten die letzten 70 Jahre“ gemacht hätten. Lakers Schlussfolgerung: „Und das ist ganz ganz wichtig, dass wir bei unserer Farbe bleiben, jeder bei seiner“. Dieser Satz ist dann sogar einigen überzeugten Anhänger*innen von Laker übel aufgestoßen. Doch statt sich nun von Laker abzuwenden, ihn als den Rassisten zu bezeichnen, der er ist, schreibt eine Person, die sich selbst als „Mischung“ (mit einer Mutter aus Sachsen und einem Vater aus Kuba) bezeichnet, sie habe das möglicherweise nur falsch verstanden. Harmoniesucht verdrängt auch hier den letzten kritischen Impuls. Traurig.

Eine total absurde Vererbungslehre rundet dann den Rassismus der Anastasia-Gedankenwelt ab. Denn jetzt beschäftigen wir uns mit Telegonie. Achtung: Das ist richtig widerlicher Nazischeiß. Obwohl,streng genommen, war das bisherige ja auch schon widerlich genug. Ok, es bleibt also weiterhin widerlich.

Zunächst ein Zitat aus der Zeitschrift „der rechte Rand“ zu rechten Ökos.

Reinheitswahn
Das Anastasia-Weltbild ist stark von einer ethnopluralistischen Vorstellung geprägt, die sich in der Idee der „Telegonie“ wiederfindet.Laut dieser These wird eine Frau durch den ersten sexuellen Kontakt geprägt, sodass ein späteres Kind von einem anderen Mann sowohl den Genotyp als auch den Phänotyp des ersten Mannes in sich trage. Die Erbinformationen sollen demnach über Generationen übertragen werden. Die Idee der „Telegonie“ findet sich in den nationalsozialistischen „Blutschutz-Gesetzen“ („Rassenschande“) von 1935 wieder. Damals wurde argumentiert, eine Frau, die eine sexuelle Beziehung zu einem „Nichtarier“ unterhielt, würde in ihrem Leben nie einen „Arier“ gebären können. Um die Prägung früherer Partner zu neutralisieren, empfiehlt Megre ein Ritual, das junge Paare durchführen sollten.

Falls ihr nicht glaubt, das diese Scheiße genauso in den Anastasia-Büchern drin steht, folgt jetzt ein Auschnitt aus Band 8 „die Bräuche der Liebe“

In der Wissenschaft kennt man den Begriff  „Telegonie“, im Bereich der Medizin spricht man stattdessen vom „Einfluss des ersten Männchens“. Von diesem Phänomen namens „Telegonie“ versucht man heute möglichst wenig zu sprechen.
Die Entdeckung dieses Phänomens begann vor knapp 200 Jahren in England, als Lord Morton beschlossen hatte, eine neue Rasse von besonders ausdauernden Pferden zu züchten. Um sein Ziel zu erreichen, kreuzte er eine reinrassige englische Stute mit einem Zebrahengst. Doch wegen der genetischen Unvereinbarkeit der beiden ausgewählten Arten gab es keine Nachkommenschaft. Nach einiger Zeit wurde die gleiche reinrassige englische Stute mit einem ebenfalls reinrassigen englischen Hengst gekreuzt. Im Ergebnis brachte die Stute ein Fohlen zur Welt, das deutlich ausgeprägte, für Zebras typische Streifen aufwies.

Lord Morton selbst gab diesem Phänomen den Namen „Telegonie“. Tierzuchtspezialisten kennen diese Erscheinung aus ihrer täglichen beruflichen Praxis. In jedem Hundezüchterverein wird eine ehemals reinrassige Hündin von den Fachleuten sofort ausgesondert, wenn sich herausstellt, dass sie näheren Umgang mit einer Promenadenmischung hatte. Diese Hündin wird nie mehr reinrassige Junge zur Welt bringen können, selbst dann nicht, wenn man sie mit dem reinrassigsten aller Rüden zusammenbringen würde.

Wahrscheinlich könnt ihr euch schon denken, dass dieser Müll angeblich nicht nur für Tiere, sondern auch für Menschen, gilt. Auch dazu jetzt ein paar Zitate

Wissenschaftler verschiedener Länder haben eine Vielzahl von Experimenten durchgeführt und dabei gezeigt, dass dieses Phänomen auch bei uns Menschen zu beobachten ist. Es gibt genügend bekannte Fälle, in denen weißen Ehepaaren Kinder mit schwarzer Hautfarbe geboren wurden. Es kommt immer wieder mal vor, dass ein kleiner schwarzer Junge das Licht dieser Welt erblickt, weil früher seine Oma oder die gebärende Mutter sexuellen Kontakt zu einem schwarzen Mann hatte. Als Ursache für dieses Phänomen stellt sich immer die erste voreheliche Beziehung der jungen Frau oder ihrer direkten weiblichen Vorfahren zu einem Mann mit schwarzer Hautfarbe heraus.

Der erste Mann im Leben einer Jungfrau prägt ihr einen Stempel seines Geistes und seines Blutes auf. Er bestimmt ein psychisches und physisches Bild der Kinder vor, die sie gebären wird. Alle anderen Männer, die mit ihr intime Verhältnisse haben werden, um eventuell ein Kind zu zeugen, sind letztlich nur Samenspender und Überträger von Geschlechtskrankheiten.

Seitenweise wird hier eine wissenschaftlich seit spätestens 1900 widerlegte Vorstellung der Vererbungslehre ausgebreitet, so als sei sie wahr. „Reinrassigkeit“ wird als selbstverständlich wünschenswert dargestellt. Später folgt dann auch ein Kapitel „Wie man den Einfluss der Telegonie überwinden kann“

“Wladimir, du weißt doch genau, dass diese Frage nicht nur die Frauen, sondern im gleichen Maße auch die Männer betrifft. Die voreheliche Beziehung eines Mannes wirkt sich genauso auf das zukünftige Kind aus. Deshalb kann die anständigste Jungfrau ein ‚fremdes‘ Kind gebären, wenn der Vater des Kindes kein Junggeselle war. Ist dir diese Tatsache bekannt, Wladimir?“

Wladimir verneint die Frage und Anastasia erklärt ihm daraufhin, wie das Ritual zur Überwindung der Telegonie aussehen soll.

Der Mann muss an dem Ort, wo die Eheleute leben, in freier Natur, unter dem Sternenhimmel, ein Bett herrichten. Er selbst muss für sich und seine Auserwählte das Bett machen. Drei Tage lang müssen die beiden fasten und drei Nächte unter dem Sternenhimmel schlafen. Und jedes Mal vor dem Schlafengehen muss der Mann zuerst seine Frau und dann sich selbst mit Quellwasser abwaschen. Nach dem Waschen muss der Mann die Frau mit einem Leinentuch abtrocknen. Sich selbst darf er allerdings nicht mit einem Tuch abtrocknen. Es ist ihm nur gestattet, die Wassertropfen auf seiner Haut mit den Händen abzuwischen. Der Mann muss sich nass zu seiner Frau ins Bett legen. In diesen drei Tagen dürfen die beiden nicht miteinander intim werden.

Quellwasser und Enthaltsamkeit sind aber noch nicht genug, die Ritualvorschriften werden noch umfangreicher:

„Beim Einschlafen unter dem Sternenhimmel müssen die beiden in der ersten Nacht einander ihre Fehltritte verzeihen. Und sie müssen gleich in der ersten Nacht anfangen, sich ihr zukünftiges Kind vorzustellen.
Der Mann soll denken, dass sein zukünftiges Kind seiner Frau ähneln wird. Und die Frau sollte sich vorstellen, dass ihr Kind ihrem Mann ähnlich sieht. Wenn diese ersten drei Tage vorüber sind, dann können die beiden wieder miteinander intim werden. Die Planeten werden alle Informationen über ihre Fehltritte in der Vergangenheit und über die nicht gezeugten Kinder löschen. Doch bevor sie mit der Zeugung ihres Kindes beginnen, muss der Mann noch die Trauung für seine Frau vollziehen. Im wedrussischen Brauch wird diese Handlung von der jungen Braut übernommen: Sie setzt auf den Kopf ihres Auserwählten einen Kranz. Dagegen muss in diesem Fall die Frau von ihrem Mann getraut werden. Diejenigen Paare, die den Ort für ihren zukünftigen Familienlandsitz gemeinsam gesucht, gefunden und zu ihrem Wohnsitz gemacht haben, müssen diesen Brauch nicht unbedingt praktizieren.“

Ihr ahnt es schon, auch in sonstigen Ritualen die in den Büchern beschrieben werden, gibt es klare Rollenbilder und genau diese betrachten wir jetzt.

Rollenbilder

Zuvor behandelten wir ja das angebliche Urzeitalter, das „wedische Zeitalter“. Wir lernen, das es damals natürlich auch keine Ehebrüche gegeben habeUnd auch sonst ist es bieder und konservativ, verklärend und romantisierend und die Anastasia-Bände geben klare Anweisungen für Männer und Frauen. Was anderes als exakt diese zwei Geschlechter gibt es selbstverständlich nicht. Frauen und Männer haben klare Rollen zu erfüllen. Kaum ein ein Klischee welches nicht bedient wird.

Wir steigen ein mit einem Auszug aus Band 6 „Das Wissen der Ahnen“

Bei diesen Worten berührt das Mädchen mit der Hand die Schulter des neben ihr stehenden jungen Mannes. Er sinkt vor ihr auf ein Knie und das Mädchen legt einen schönen Kranz auf seinen Kopf, den die Hand des Mädchens aus duftenden Gräsern geflochten hatte. Dann streicht sie mit der rechten Hand dreimal über das Haar des gekrönten jungen Mannes und mit der Linken neigt sie seinen Kopf ein wenig zu sich. Dann gibt sie ein Zeichen, und der junge Mann erhebt sich. Das Mädchen läuft vom Hügel herunter und senkt leicht den Kopf als Zeichen des Gehorsams.

Als Zeichen des Gehorsams? Was für eine bescheuerte Unterordnung.

Ein paar Seiten später

Heute erlischt bei Ehepaaren das Gefühl der Liebe füreinander fast immer. Die Energie der Liebe verlässt sie und es wird von der menschlichen Gesellschaft aufgenommen, als müsste das so sein. Aber diese Situation ist für den Menschen unnatürlich. Sie zeugt davon, dass die Lebensweise der Menschen von heute unnatürlich ist.

Auch das ist wieder eine klassische Anastasia-Argumentation. Aus der Beobachtung, dass Beziehungen kaputt gehen wird abgeleitet, dass sie unnatürlich geführt worden seien und es sonst nicht passiert wäre, um dann rückständig-biedere Scheiße daraus herzuleiten und zu verklären.

Es geht weiter mit einem Zitat aus Band 1, Tochter der Taiga, Kapitel 9 „Einen neuen Stern entfachen“.

Wie ich so dalag, träumte ich von einem Sohn. Meine Frau hatte mir keinen Knaben geboren. Ich dachte mir: «Es wäre toll, wenn ich einen Sohn von Anastasia hätte! Sie ist kerngesund, abgehärtet und schön. Folglich würde das Kind ebenfalls gesund sein. Es soll mir ähneln. Natürlich soll mein Sohn auch etwas von ihr haben, aber mehr von mir. Stark wird er sein und klug. Er wird viel wissen und talentiert und glücklich sein.

Was für eine narzistische Überlegung, und was für eine ätzende Reduktion der Frau zur potentiellen Mutter. Die folgenden Sexszenen ersparen wir euch freundlicherweise und machen weiter mit einer Diskussion über Sex:

Anastasia rief mir zu: «Von allen Lebewesen im Weltall ist es allein dem Menschen beschieden, so etwas zu er-le-he-ben! Nur einem Mann und einer Frau, die sich ein gemeinsames Kind wünschen! Nur dem Menschen, der bestrebt ist zu er-schaf-fen! Nur ein Mensch, der das erlebt hat, entfacht einen neuen Stern! Ich danke di-hi-hir!» «Nur ein Mensch, der nach Schöpfertum strebt und nicht nach der Befriedigung seiner sexuellen Verlangen.

Die falsche Ehe ist etwas Furchtbares. Denk doch mal an die Kinder, Wladimir! Weißt du, Kinder empfinden den Lug und Betrug einer solchen Ehe ganz genau. Und als Folge davon bezweifeln sie alle Worte der Eltern. Die Kinder empfinden unbewusst die Lüge, bereits zum Zeitpunkt der Empfängnis. Deswegen geht es ihnen schlecht. Was denkst du, wer möchte als Folge geschlechtlichen Genusses geboren werden? Jeder möchte aus einem großen Drang zur Liebe und zum Schöpferischen erschaffen werden und nicht als Folge von Geschlechtsgenuss zur Welt kommen.

Wie bitte? Jeder möchte aus einem Drang zum Schöpferischen erschaffen werden und nicht als Folge von Geschlechtsgenuss zur Welt kommen?

Was für eine absurde Wahnwelt Megre in seinen Anastasia-Romanen zeichnet, haben wir jetzt wohl ausreichend deutlich machen können. Aber wir hatten euch ja noch Fantasy und Action versprochen,

Fantsasy

Wir steigen ein mit Ausführungen zur Bestimmung des Mammuts Dan in Band 10.

Als du eingeschlafen warst, fing ein Gewitter an. Nicht nur Menschen, auch Tiere wissen, dass Blitze am ehesten in hohe Bäume einschlagen. Dan sah, wie du einschliefst, und als dann das Gewitter anfing, war er beunruhigt, trennte er sich von der Herde und kam zu dir. Er weckte dich nicht auf, sondern stand einfach über dir und schützte dich vor dem Regen. In den Baum, unter dem du schliefst, schlug ein Blitz ein. Ein Ast fing Feuer und fiel herab. Er wäre auf dich gefallen, aber das Mammut Dan ging mit seinem Rüssel dazwi­schen. Dann begann der zweite Ast zu brennen, und Dan warf auch ihn hinweg, aber das wollige Fell auf seinem Kopf begann zu bren­nen. Die versengten Haare gaben dann den unangenehmen Geruch von sich. Die verbrannte Stelle schmerzte wie wild, aber Dan stand reglos über dir, während du weiter schliefst. Als du weggingst, warfst du ihm Aufdringlichkeit vor, aber er konnte dir dies nicht übel neh­men und vergaß seine Schmerzen. Er freute sich darüber, dass du nicht zu leiden brauchtest, und als dann die Brandwunde heilte, dachte er mit Zuneigung an dich.

Soweit, so komisch. Im Kapitel „Heimat gib nicht auf ich stehe dir zur Seite“ geht die Story weiter.

Als Dan Anasta herbeilaufen sah, wackelte er froh mit dem Kopf, we­delte mit den Ohren und blieb stehen. Das riesige Mammut streckte dem kleinen Mädchen seinen Rüssel entgegen und berührte es mit der Rüsselspitze an der Schulter. Anasta umfasste die Rüsselspitze, presste ihre Wange an sie, streichelte sie zärtlich und befahl fröhlich: Das Mammut wandte sich sogleich um und lief Anasta hinter­ her. Als Anasta müde wurde, brachte sie das Mammut mit einer Geste zum Stehen und kletterte am Rüssel zu seinem Kopf empor. Wahrend sie dann auf den Rücken des Mammuts kroch, erblickte sie dort ihr Kätzchen, das schon längst zu einem großen Kater he­rangewachsen war, aber nach wie vor auf seinen Spitznamen Katjonok („Kätzchen“) hörte. Er rieb sich am Bein des Mädchens und begann zu schnurren, wodurch er seine Freude und Ergebenheit zum Ausdruck brachte. Am Abend gelangten die drei zur verlassenen Stammessiedlung. Anasta schickte Dan auf die Weide, ging in ihr kleines Häuschen aus Ton, tastete sich in der Dunkelheit zur mit duftendem Heu ausgelegten Ofenbank, legte sich aufs Ohr und schlief sofort ein.

Für mich klingt das nach einem noch nicht umgesetzten Teil von Ice-Age. Irgendwie wünscht man sich doch glatt, dass Sid auftaucht und uns Ottos Stimme weiter über den Weg Anastas informiert. Aber zurück zu den Romanen: Da sind also neben Antisemitismus und völkischem Gedankengut auch Fantasiegeschichtchen über Kinderfreundschaften mit Mammuts drin. So weit so weird. Aber es wird noch skuriller. Springen wir also von Band 10, das mit dem Mammut Dan, in Band1:

«Wladimir, nun muss ich dir die Konditionen mitteilen, zu denen du das Geld abheben kannst, das auf deine Konten eingeht.» «Nur zu, Anastasia, das ist Musik in meinen Ohren.» Was ich dann allerdings zu hören bekam, brachte mich zum Kochen … Aber mag der Leser selbst darüber urteilen. «Um Geld von deinem Konto abheben zu können, musst du die folgenden Bedingungen erfüllen: vor allem drei Tage vor Erhalt des Geldes keinen Alkohol trinken. Wenn du in die Bank kommst, soll dich der Hauptverantwortliche dort mit Hilfe spezieller Geräte und in der Anwesenheit von mindestens zwei Augenzeugen auf Alkohol prüfen. Nur wenn du die erste Bedingung erfüllt hast, kannst du zur Erfüllung der zweiten schreiten: Du sollst vor der zuständigen Person und zwei Augenzeugen mindestens neun Kniebeugen machen.»

Bevor ihr euch jetzt überlegt welches euer favorite skurrilstes Highlight ist, haben wir noch einen weiteren Ausschnitt:

Wir befinden uns in Band 5. Der Autor hat eine Sinnkrise, empfindet sich als ferngesteuert. Er wurde beschattet, hat Zweifel. An Universitäten sei aufgrund seiner Bücher darüber geforscht worden, was es mit Anastasia auf sich hat. Er versucht sich abzulenken, säuft und flirtet mit einer anderen. Doch dann kommt Anastasia. Um am Türsteher des Clubs vorbei zu kommen, hat sie sich mit einer Prostituierten angefreundet, geschminkt und ihr Kleid kurz geschnitten. Es kommt schließlich zum Showdown zwischen Gangstern und Prostituierten, wobei letztere Wladimir und Anastasia retten.

«Nun übernehmt euch bloß nicht, ihr Schlappschwänze! Ihr kriegt doch nicht mal eine Nummer hin», erwiderte Anka lachend. «Halt‘s Maul, du Hure. Wir werden euch allen die Sichel putzen. Bis zum Morgen werden wir euch durchvögeln, da kannst du Gift drauf nehmen.» «Spar dir deine großen Worte, mein Bürschchen, an eure Potenz glaub ich sowieso nicht.» «Du wirst daran glauben müssen. Aber als Erstes werd ich dir mal die Fresse polieren», grölte der allmählich zorniger werdende Bandenboss, holte einen Schlagring hervor und ging auf Anka zu. Anka machte einen Satz auf ihre Freundinnen zu und rief: Alles zurück (…)

Die dicke Mascha riss ihren Bademantel auf, sodass die Knöpfe in alle Richtungen sprangen. Ich sah ihre nackten Brüste, ihren engen Slip und noch etwas. Unter dem Bademantel der Dicken steckte eine Kalaschnikow mit Schalldämpfer und Nachtvisier. Sie entsicherte die Waffe, klemmte den Kolben zwischen Schulter und Wange und starrte durch das Visier. «Nur eine Kugel zur Zeit, Mascha. Hier ist ja nichts los. Außerdem weißt du ja selber: Jede Kugel kostet Geld», empfahl Anka. «Ja, jaa, antwortete die Dicke, auf das Visier konzentriert, und feuerte im Intervall von vielleicht einer Sekunde fünf Schüsse ab – aber was für welche! Die erste Kugel schoss dem Gangsterboss den Absatz weg – vielleicht verletzte sie ihn auch am Bein; jedenfalls humpelte er eilends in Richtung Meer. Vier weitere Kugeln schlugen in der Nähe jeweils eines Banditen ein.

Okay, und was sollte uns das jetzt alles sagen? Nein, es ist kein Drehbuch für nen neuen Scarface-Film, sondern Megres Anmoderation zu Ausführungen über Zufall und Programmierung, die dem Autor dann letztlich aus seiner Sinnkrise heraus helfen

Es gibt tatsächlich Kräfte, die in der Lage sind, in den Lauf der Dinge bestimmte Ereignisse oder – wie in deinem Fall – ganze Ketten von Ereignissen einzuflechten, die zur Realisierung eines geplantes Ziels notwendig sind. Reinen Zufall gibt es nicht, das haben schon viele erkannt. Es mag unglaublich klingen, aber was für uns wie ein Zufall aussieht, ist sogar in den meisten Fällen das Ergebnis einer bewussten Programmierung. (…) «Allein die Wünsche und Bestrebungen des Menschen können den Lauf der Dinge programmieren – entweder in diese oder in jene Richtung. Das ist das Gesetz des Schöpfers. Nichts und niemand kann dieses Gesetz außer Kraft setzen, auch nicht irgendwelche kosmischen Mächte. Denn es ist der Mensch, der über alle kosmischen Energien waltet»

Genau diese krude Mischung aus völkischer Taiga-Verklärung, der detaillierten Schilderung vermeintlicher wedischer Bräuche, zahlreichen menschenverachtenden Stereotypen, dressierten Mammuts und Gangster-Fights mit Prostituiertengangs, machen diese Anastasia-Romane aus. Anders als auch wir es vor unserer Auseinandersetzung damit erwartet hatten, steht eben nicht nur ganz klassischer Eso-Kram über heilende Öle und Pflanzen und kosmische Energien gemischt mit antisemitischem Dreck in den Anastasia-Büchern. Vollkommen zurecht sind die menschenverachtenden Zitate bekannter, aber doch wollten wir mit dieser Aufarbeitung auch die anderen Facetten beleuchten, um euch einen Gesamteindruck der Bücher vermitteln zu können.

Wenn ihr jetzt meint: „Das passt doch alles garnicht zusammen“…Stimmt! Das ist alles vollkommener inkonsistenter, sexistischer, antisemitischer und rassistischer Humbug, aber das scheint für eine erfolgreiche Buchreihe entweder unbedeutend oder sogar Erfolgsrezept zu sein.

Jetzt aber genug zu den Abgründen der Inhalte der Anastasia-Buchreihe. Wir wollen jetzt noch einen Blick auf bestehende Anastasia-Siedlungsprojekte in Deutschland werfen. Dazu zitieren wir wieder aus der Sonderausgabe der antifaschistischen Zeitschrift „der rechte Rand“ zu öko-Rechten.

In Deutschland soll es bisher 17 Anastasia-Familienlandsitze geben. Einer davon liegt im Dorf Grabow bei Blumenthal in Brandenburg, 100 Kilometer nordwestlich von Berlin. Seit 2014 wohnen Iris und Markus Krause hier mit weiteren Familien und bauen derzeit eine 84 Hektar große völkische Siedlung auf. Das Paar gehört zu den Ersten, welche die „Anastasia“-Ideologie in Deutschland verbreiteten. 2014 organisierten sie das erste bundesweite „Anastasia-Festival“ auf der „Jugendburg Ludwigstein“ bei Witzenhausen und im folgenden Jahr ein weiteres in Grabow. Ihr Grundstück stellten sie auch dem extrem rechten „Deutschen Jugendbund Sturmvogel“ für ein Ferienlager zur Verfügung. Dabei wurden die Kinder von NPD-Funktionär*innen, Angehörigen der verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ und Mitgliedern der rassistischen „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft“ offensichtlich im völkischen Sinne indoktriniert.

Markus Krause betreibt zudem einen Land- und Gartenbau. Auf seiner Webseite betont er, auf den „Dieselmaschineneinsatz“ zu verzichten und nur per Hand und mit Pferden zu arbeiten. Außerdem würde nur Dünger verwendet, der „für den Ökolandbau“ zugelassen sei. Das Ergebnis seien Kartoffeln „völlig rückstandsfrei von konventionellen Anbaumethoden“. Die Ernte verkauft er auf Märkten in der Region. Auch vor Ort sind die Krauses aktiv, laden die Bevölkerung des kleinen Dorfes in das örtliche Gasthaus zu Vorträgen ein, in denen sie gegen Geflüchtete hetzen und mit der Gründung einer Dorfwehr drohen, damit ihr Dorf „frei von illegalen Einwanderern“ bleibe.

Das ist aber nicht das einzige Anastasia-Projekt in Brandenburg, daher hier noch ein paar Infos zu einem weiteren Familienlandsitz.

Rassenlehre und Permakultur
Im Oderbruch, am anderen Ende von Brandenburg, wohnt Frank Willy Ludwig auf seinem Familienlandsitz in Liepe. Er ist Begründer des „Urahnenerbe Germania“, einer rechts-esoterischen Organisation, deren Ziel er wie folgt beschreibt: „Die Förderung und der Aufbau natürlicher Stammeslandsitze in Siedlungen mit Wirtschaft (Mutterhof) und Schulen, durch das Erforschen und Praktizieren der Lebensweisen unserer Urahnen, der wedischen Hochkultur von Slawen und Ariern“. Der Name der Organisation bezieht sich auf die 1935 von dem Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, und dem niederländischen Nazi Herman Wirth gegründete „Deutsches Ahnenerbe – Studiengesellschaft für Geistesurgeschichte e.V.“. Die Studiengesellschaft stand dem „Reichbauernführer“ Richard Walther Darré nah und sollte die „rassische Überlegenheit“ des „arischen Menschen“ wissenschaftlich nachweisen. Sie war auch für medizinische Versuche an Menschen in Konzentrationslagern verantwortlich. Ludwig hält deutschlandweit Vorträge, in denen er über die „Gesetze der Reinheit des Blutes“ und die „arische Rasse“ referiert. Er rät sienen Zuhörern: „Kümmert euch um eure Frau. Zeugt Kinder. Schafft euch einen Garten an, fertig. Das ist es doch, was der Führer auch gesagt hat. Blut und Boden. Kraft durch Freude.“

Ein enger Vertrauter Ludwigs ist der Allgäuer Landwirt Robert Briechle, der als Betreiber des Bio-Mutterhofs in Unterthingau weitreichenden Einfluss auf die Ökoszene im Allgäu hat. Sein Wissen über Permakultur, Biodiversität und Nachhaltigkeit teilt er in seinem Kursangebot für Schulen und Universitäten. In einem Interview mit dem rechten Verschwörungsideologen und Permakultur-Aktivisten Markus Rüegg 2019 benennt Briechle die „Anastasia“-Buchreihe als Grundlage seines Aktivismus.

Soweit das Zitat aus der Zeitschrift „Der rechte Rand“. Vertrauter von Robert Briechle ist auch der Liedermacher „Schwerti von der Thing Au“, ebenfalls diesem erwähnten Mutterhof. Dessen Lieder werden regelmäßig von Laker von der Akademie Engelsburg beworben.

Als drittes werfen wir noch einen Blick in den Harz, denn auch dort besteht ein Anastasia-Projekt

Ehre, Heimat, Selbstversorgung

Ein weiteres Siedlungsprojekt befindet sich in Wienrode im Ostharz. Unter dem Namen „Weda Elysia“ (Wissen um das Paradies) bauen Maik und Aruna Schulz die ehemalige Dorfschänke zum Kulturzentrum „Haus Lindenquell“ um, teils mit handgefertigten Lehmziegeln. Weitere Gelände sollen nach eigenen Angaben folgen, um hier mit 50 Menschen zu leben. Als sich 2018 die völkische und rechte Szene zu einer Aufführung von Schillers Drama „Wilhelm Tell“ im sächsischen Bischofswerda traf, sollen auch die Schulzes vor Ort gewesen sein. Ihr Projekt richte sich an jene „Menschen, für die Werte wie Familien, naturnahe Lebensweise, Ahnen, Selbstversorgung, Gewissen, Ehre, Heimat, deutsche Kultur und Gemeinschaft noch eine Bedeutung haben“. Ziel sei es, „die Kräfte und den Willen jener zu bündeln, die erkannt haben, dass die derzeitige Konsumgesellschaft die Deutschen betäubt und entfremdet.“ In einem Gruppenchat verweist Maik Schulz auch auf die „identitäre Bewegung“ oder die „Gedächtnisstätte Guthmannshausen“ in Thüringen.

Wer jetzt glaubt, wir hätten damit nur die besonders ekligen Beispiele herausgegriffen und würden den beteiligten einzelnen Menschen und der Bewegung als Ganzes unrecht tun, dem / der empfehlen wir den Erfahrungsbericht der Zeitschrift oya zum Besuch von Anastasia-Treffen zu lesen. Der Artikel heißt „Die Macht eines Phantoms“ und ihr findet ihn auf oya-online.de.

Die Schreibenden begeben sich selbst auf ein deutschsprachiges Anastasia-Treffen, sind dort eingeladen und erwünscht, weil die oya sich oft mit alternativen Siedlungsprojekten und Kommunen beschäftigt und daher nicht, wie beispielsweise öffentlich-rechtliche Journalist*innen, sofort des Treffens verwiesen werden. Sie fragen nach, besuchen Workshops, suchen nach kritischen Stimmen, nach Menschen, die nichts daran oder vielleicht nur Teile des Konzeptes gutheißen, wenigstens den Antisemitismus oder die starren Rollenbilder kritisieren. Was sie schildern ist jedoch, dass Kritik sehr selten ist und zudem vehement abgebügelt wird. Kritische Fragen innerhalb der Anastasia-Bewegung sind unerwünscht.

Doch wer jetzt meint, bei all den widerlichen Überzeugungen, Zitaten und Geschichten, würden nur ohnehin schon rechte oder reaktionäre Menschen von dem Konzept angezogen, irrt leider. Anastasia-Anhänger*innen bieten selbstgemachte Ökoprodukte an, stellen gezielt und bewusst Tanz und Gemeinschaft in den sichtbaren Mittelpunkt ihres Handelns, singen Lieder, geben Kurse an Unis und Schulen. Welche*r Bürgermeister*in eines kleinen Dorfes würde sich nicht wünschen, dass neue Menschen neues Leben in den Ort tragen? Vielleicht sogar ambitioniert sind, eine Schulde dort zu gründen? Es bleibt daher also wichtig, Wissen zu verbreiten, um zu sensibilisieren für die Gefahren, die von völkischen Siedlungskonzepten ausgehen.

Telegram

Ein wichtiger Vernetzungsort für Anastasia-Anhänger*innen ist – na klaro – auch telegram.
Der Zusammenschluss „Kreis Mensch Sein“, wohl eine Fusion aus den BewusstSEINsHelden und dem Ilumina Circle betreiben den „Anastasia Hörbücher“ Kanal mit 15600 Mitgliedern bei telegram. Von einem der beteiligten Menschen wurde Engelsburg-Oberguru Martin Laker auch bereits für ein Video interviewt. Dieser Anastasia-Hörbücher-Kanal ist einer der größten deutschsprachigen Anastasiakanäle auf telegram soweit wir wissen. Es gibt außerdem noch „Anastasia – eine Legende unserer Zeit“ seit August 2019 mit immerhin auch knapp 7000 Mitgliedern. Dort wurden u.a. Leute gesucht, die die Anastasia-Bücher neu einlesen. Eine Folge von Lakers Videoformat „im Gespräch mit“ ist mit einem der Sprecher eines Anastasia Hörbuchs.

Das war der zweite Teil unserer Recherchen zur Akademie Engelsburg. Anlass dieser vierteiligen Serie ist die Gründung einer Flensburger Regionalgruppe. Die Akademie Engelsburg bezieht sich in ihrer Ideologie zentral auf Anastasia, um die es hier ging. In den kommenden Recherchen wird es um QAnon und die Reichsbürgerideologie gehen. Zu letzteren haben übrigens die deutschen Anastasia-Anhänger*innen (auch die, die unseres Wissens nach nicht Engelsburger sind) eine ganze Menge Kontakte und Überschneidungen. So schreibt in einem discord-chat beispielsweise ein Anastasia-Anhänger davon, dass sich, würden die „völkerwidrig abgetrennten dünn besiedelten Gebiete „ Deutschland hinzugerechnet, pro Person mehr Fläche für die zu gründenden Landsitze ergäbe. Vermeintlich ungültige Grenzen und Großmachtfantasien sind klassische Bestandteile von Reichsbürgerideologie. Also hört oder lest auch den vierten Teil über Reichsbürger und natürlich auch den nächsten, dritten Teil zu QAnon. Kleiner Spoiler: QAnon waren die mit dem Mythos: Eine Elite trinke Kinderblut als Verjüngungskur…