Gegenöffentlichkeit in Flensburg

Der Zwergenaufstand der Alten Weißen Männer

Schon seit geraumer Zeit konnte mensch im social media (vorrangig auf Twitter) verfolgen wie einige verbitterte Alte Weiße Männer1 ihre Frustration über die eigene Bedeutungslosigkeit am Freien Radio Fratz ausließen. Darunter lokale CDU-Oberhäupter, FDP-Politiker und scharf rechts abgebogene Fotojournalisten.
Das ist nicht weiter verwunderlich, steht das Radio Fratz doch für ein diverses, kritisches und innovatives Programm und wird – so zumindest unsere Wahrnehmung – auch von einem solchen Team begleitet. Junge Frauen, Queers, Punx und Techno-Atzen haben hier neben vielen anderen eine Plattform gefunden, die sie sonst in Flensburg nicht haben.

Des Weiteren erdreistete sich das Radio Fratz aber auch über die Räumung des Bahnhofswaldes zu berichten – eine Räumung die von privaten Lakaien des Investors initiiert und durch Lug & Betrug der Stadt und insbesondere der Oberbürgermeisterin gedeckelt und schlussendlich vollzogen wurde. Ein Kapitel, dass definitiv noch nicht abgeschlossen ist und über das es noch viel zu sagen geben wird. Aber dazu an anderer Stelle mehr.

Die FDP Flensburg nutzte nun dies um einen Eilantrag zur Streichung der Fördergelder für das Freie Radio Fratz einzureichen – etwas was das Ende des Projektes zumindest in der offenen und inkludierenden Form bedeuten würde. Laut FDP habe das Fratz ›einseitig berichtet‹ und würde nicht zu einer ›Vorbildlichen Vermarktung der Stadt‹ beitragen.

Zum Thema einseitige Berichterstattung hat die Bürger*innen-Initiative Bahnhofswald bereits ein schönes Statement geschrieben.
Was aber in diesem Wunsch der FDP klar zu Tage tritt, ist der eines Hofberichterstatters, eines Senders, der nur ein gut vermarktbares Bild der Stadt abliefert. Wenn das Radio schließlich Geld von der Stadt bekommt, dann soll es eben auch schön brav Werbung für die Stadt machen. Wenig überraschend, denn für die FDP und andere Marktradikale existiert nun mal nichts außerhalb des Marktes und damit ist Geld auch immer ein Mittel zur Interessendurchsetzung – gibt die Stadt Geld, kann sie ja wohl auch erwarten, dass nur positiv über sie berichtet wird. Ein ähnliches Konzept wie in der DDR, nur mit dem Unterschied, dass dort ja alle Medien vom Staat abhingen.

Die Wichtigkeit unabhängiger und kritischer Berichterstattung für demokratische Prozesse ist der FDP hingegen vollkommen unbekannt. Wenig überraschend, dass diese Partei in den 50ern von Alt-Nazis unterwandert werden konnte und auch heute noch den Steigbügelhalter des Faschismus macht:

https://www.deutschlandfunk.de/media/thumbs/8/88064ca32e2497011be0b5576a710ce2v1_max_755x425_b3535db83dc50e27c1bb1392364c95a2.jpg?

Wir glauben allerdings eh, dass die Demokratie ihre Versprechen von Partizipation und Teilhabe schon rein strukturell nicht erfüllen kann, das nun immer mehr Bürger*innen genau diese Illusion verlieren kann also auch ihre gute Seiten haben.
Nun, wenn der Markt doch alles regelt wäre unser Vorschlag zur Güte, dass die FDP Flensburg zunächst mal all ihre Parteifinanzierung zurück zahlt. Das Geld kann bestimmt gut unter den Kulturschaffenden hier verteilt werden, die allesamt aktuell mehr zum Gemeinwohl beitragen als die FDP in ihrer gesamten Existenz.
Folgend auf diesen kalkuliert skandalösen Antrag (er lenkte ja wunderbar von den Ereignissen am Bahnhofswald ab und bescherte der Nischenpartei etwas Aufmerksamkeit) konnte mensch dann ein nahezu obsessives Getrolle der männlichen Dreifaltigkeit auf Twitter beobachten.

Im Laufe dessen zeigten die Alten Weißen Männer auch ganz ungeniert ihren autoritären Geist und schlussendlich ist auch die CDU aufgesprungen. Clever beobachtet haben sie dabei wie viel Gegenwind die FDP für ihr fragwürdiges Bild von Pressefreiheit bekamen und schoben so schließlich andere Dinge vor. Im Endeffekt – und das zeigt auch der Hinweis auf angebliche >Linksextremisten<, geht es ihnen aber um exakt das gleiche – sie wollen ein kritisches Medium zensieren!
Und es Bedarf eigentlich keiner weiteren Anmerkung, aber dennoch – selbst an liberalen Standards gemessen haben Cops einen Scheiss in Redaktionen zu tun! Vollkommen absurd, wie die CDU darauf kommt, dass das ja normal sei – ja, wenn wir in Nordkorea leben würden vielleicht!

Nun erdreistete sich das unerzogene Fratz auch noch dem Getrolle einen Riegel vor zu schieben und die Männer zu blockieren. Was für eine Majestätsbeleidigung. Man sei ja schließlich ein ganz wichtiger von der CDU, ein nun wirklich grandioser Journalist oder ja, was ist der letzte eigentlich? Der Vorsitzende einer radikalen Splitterpartei! Das können die Alten Weißen Männer ja nun nicht auf sich sitzen lassen – denn sie sind gewohnt, dass immer und überall sich alles um sie dreht und alle Aufmerksamkeit nur ihnen gebührt. Wie kann mensch es wagen etwas besseres zu tun zu haben als ihnen zu zuhören. Wir beobachteten dies mit einer klammheimlichen Freude.

Auch wenn uns immer wieder der Gedanke kam, dass es doch wohl auch für Boomer das beste wäre, wenn ihnen das Internet mal entzogen oder doch zumindest erklärt werden würde. Schon allein in ihrem eigenen Interesse: so würden sie sich so manche Blamage ersparen.

Wenn mensch den Unterschied zwischen @ und # nicht kennt, aber anderen unbedingt erklären muss wie sie ihre Arbeit auf Twitter zu machen haben – dann kann man nur ein Alter Weißer Mann sein.

Doch bei aller Lächerlichkeit, allem Provinziellem was sich hier offenbart, bleibt ja ein bitterer Nachgeschmack: hier soll ein freies Medium am liebsten mundtot, zumindest aber eingeschüchtert werden. In einer Stadt, die immer mehr zur Stadt der Reichen und Investoren wird, soll freie Berichterstattung weichen, während die Aufarbeitung des Einsatzes von Privatarmeen behindert wird. Eine Stadt, die Privatarmeen okay findet, die die sich in der Pandemiebekämpfung lächerlich macht – und gleichzeitig immer autoritärer wird.

Lassen wir uns von dieser reaktionären Nebelkerze nicht ablenken – das was im Bahnhofswald passierte ist der Traum der FDP: private Söldner und Privatinteressen vor Gemeinwohl, eine Stadt mit eigenem Werbekanälen die einfach nur noch eines wird: der ideale Gesamtkapitalist in dem alles vermarktet und verkauft wird und in der kein Platz für uns von unten mehr ist.

Und machen wir uns nichts vor: die SPD und Lange teilen schon lange große Teile dieses Traums der Stadt der Reichen.

Angesichts der Lage der Welt ist es schon lange an der Zeit einen radikalen Kurswechsel durchzuführen, einen sofortigen Bruch mit Kapitalismus und dem mit ihm einhergehenden Ökozid durchzuführen. Angesichts der Umstände ist es für Alte Weiße Männer höchste Zeit ihre Mentalität abzulegen und demütig der neuen Generation zuzuhören. Ihr habt die Wahl – und sollte euer Narziß euch diesen Schritt nicht erlauben, ziehen wir zumindest einen klaren Trennstrich zwischen uns und euch.

Hier wird es sich wohl vermutlich um eine Projektion im klassischen psychologischen Sinne handeln.

Lassen wir uns von diesem reaktionären medialen Gegenangriff nicht ablenken: Gegen die Stadt der Reichen – schaut mal beim boomdorp auf Twitter vorbei oder hier bei subtilus.info für News dazu.

Wir brauchen eine kritische Öffentlichkeit. Fratz – lasst euch nicht einschüchtern!

[Auch wenn wir kritisch anmerken möchten, dass uns die Berichterstattung des Fratz angesichts der Umstände viel zu neutral war.]

einige Anarchist*innen

1Wir sind keine großen Anhänger*innen von Identitätspolitik, wenn sie auf essentialistische Kategorien hinausläuft und so das was sie überwinden möchte nur verfestigt. In diesem Fall beschreibt Alte Weiße Männer eine frei gewählte Mentalität, eine die nicht notgedrungen eintreten muss, nur wenn mensch einer oder mehrere dieser Schubladen erfüllt. Allerdings spricht die Identifizierung dieser Mentalität bei anderen na klar nicht davon frei, mal sich selber an die eigene Nase zu fassen und eigene Verwebungen in Herrschaftsstrukturen zu hinterfragen.

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