Vor wenigen Wochen äußerte die Oberbürgermeisterin Simone Lange: „Kommen Sie darunter. Der Rechtsstaat schützt auch Ihre Interessen.“ Auch aktuell erreichen uns viele Hinweise, dass Jara die Gesetze bricht, die Investoren zur Rechenschaft gezogen werden müssen und wir sie anzeigen sollten, weil sie Leben gefährden. Gerade wenn wir über Kabelbinder-Fesseln durch Secus, lebensgefährdende Baumanschnitt-Aktionen berichten heißt es: „Unbedingt anzeigen!“, oder „Was sagt die Lebensversicherung der Person dazu? Haben die schon nen Ermittler geschickt?“.

Per Mail haben wir eine längere Zuschrift bekommen, welche Vorschriften alle verletzt seien:

JaRa tritt unsere Gesellschaftsordnung mit Füßen

Wer einer Person mutwillig körperlich schadet wird mit einer Freiheitsstrafe bestraft. Auch der Versuch ist nach §223 StGB Strafbar. Heute Morgen wurde kriminell gehandelt.

Im Geltungsbereich des Grundgesetzes steht das sogenannte Rechtsgut „Leib und Leben“ unseres Aktivisten an erster und seine Gesundheit an zweiter Stelle.

Das Eigentum, in diesem Fall von JaRa Immobilien, ist nur viertrangig. Dies leitet sich aus dem Grundgesetz ab. Die Menschenwürde und Körperliche Unversehrtheit („…. sie zu schützen ist Aufgabe aller staatlichen Gewalt“) stehen dort an erster und zweiter Stelle.

Folglich wird es Zeit, dass die Polizei die Besetzer gegen das kriminelle Treiben der JaRa schützt. Deren Interesse, das Recht auf Eigentum, findet sich erst in Artikel 14, also weit hinter diverse anderen Rechten und Pflichten der Bürger.

Die heutigen Vorgänge zeigen exemplarisch wie wenig der JaRa an den Grundregeln unserer Gesellschaft liegt und wie wenig diese kriminelle Gruppe verstanden hat wie Politik funktioniert.

Der Versuch einen Baum inklusive Aktivisten zu fällen sollte jedem Bürger und auch der Stadt Flensburg und ihren Behörden ein Warnsignal sein. Wir appellieren an die Stadt Flensburg, sowie die Öffentlichkeit kolumbianisch-syrische Verhältnisse zu verhindern. Niemand steht über dem Grundgesetz. Wer sich dagegen stellt ist ein Fall für diverse Behörden.…

Als einige der Menschen, die im Rahmen der Besetzung aktiv sind, versuchen wir mal zu erklären, warum wir von den Vorschlägen nicht begeistert sind.

Wir haben leider die Erfahrung gemacht, dass der Rechtsstaat uns nicht schützt. Regelmäßig sind wir es, die von diesem Staat (in Form von Polizei und Justiz) verprügelt, eingesperrt und verurteilt werden, weil wir Wälder schützen oder Blockieren, was unsere Welt zerstört und weil wir uns weigern dass als falsch anzusehen. Wir wissen, dass wenn wir die Polizei rufen, diese in ihren Datenbanken nachschaut und sieht, dass wir „linksmotivierte Straftäter“ sind und uns deshalb oft als Feind*innen behandelt. Und wir wissen, dass andere wie People of Color, noch viel weniger Chancen haben, von der Polizei fair behandelt zu werden. Auch im Nachgang von rassistischen Morden wie in Hanau vor einem Jahr ist das immer wieder sichtbar.

Wie unterschiedlich Polizei Menschen behandelt, lässt sich übrigens auch an den Ereignissen des Tages der Böömdorp-Invasion durch die Investoren festhalten. Hätte die Polizei uns dabei erwischt, wie wir beispielsweise Autos von Duschkewitz zerstören, hätte sie uns sicherlich nicht eine weitere halbe Stunde gewähren lassen und keinerlei Personalien aufgenommen, uns einfach gehen lassen. Genau das durften aber heute die handelnden Secus und Arbeiter*innen, welche die Bäume illegalerweise töteten. Die Polizei selbst merkt das nicht mal. Ein Polizist war überrascht, warum eine mit der Besetzung solidarische Person nicht mit ihm reden wollte und fragte ganz erstaunt: „Was haben sie denn für ein Menschenbild?!“

 

Hier der Versuch einer Erklärung des Menschen, die sich direkt an den Beamten richtet:

Was haben sie denn für ein Menschenbild?!

Tatsächlich ist es genau dieser Satz, der mir nach dem gestrigen Tag immer wieder in den Ohren klingt. Ich möchte deswegen versuchen darauf zu antworten. Nicht weil ich mir erhoffe, dass der Polizist, der mir diese Frage gestellt hat, tatsächlich diesen Brief lesen oder gar verstehen wird – viel eher denke ich, dass er in einer Ermittlungsakte landet und dass ich mir damit eigentlich keinen Gefallen tue. Ich schreibe ihn, weil ich dem Beamten seine Fassungslosigkeit über meine Antworten glaube und ich außerdem glaube, das viele seiner Kolleg*innen diese teilen.

Wie gesagt, ich erwarte kein Verständnis und möchte kein Mitleid, aber ich werde mir nie wieder vorwerfen lassen, von welcher Uniform auch immer, eine Haltung zu haben – denn lieber habe ich eine „scheiß Haltung“, als gar keine!

Aber kommen wir zum gestrigen Morgen. Ich wurde von einer Horde verrückt gewordener Security-Orks herumgeschubst, mehrfach zu Boden geworfen, mit Kabelbindern gefesselt, bin durch die Gegend geschleift, gezerrt und getragen worden. Sie saßen auf mir drauf (mehrere) haben meinen Kopf auf den Boden gepresst, mich gewürgt und weil der Kabelbinder dann doch zu fest war, mit einem Taschenmesser an meinem Handgelenk herumgefuchtelt weil sie zu blöd waren ihn wieder abzubekommen (natürlich mussten sie mich dafür auch weiter auf dem Boden fixieren…). Wie sie sich vorstellen können trägt so ein Verhalten nicht unbedingt zu guter Laune bei.

Der Umstand warum sie sich dazu veranlasst gefühlt haben, ihre Wrestling-Fähigkeiten an mir auszuprobieren ist, weil ich nicht die Schnauze halte und zugucke wenn sie an einem Baum herumsägen in dem ein besetztes Baumhaus hängt. Ich will das nochmal kurz erklären: damit meine ich das Einschneiden des Stammes rundherum. Selbst die vor Ort eingesetzten Baumpfleger haben bestätigt, dass Bäume so nicht mehr standfest sind. Und zu diesem Zeitpunkt befand sich ein Mensch in diesem Baum. Es mag sein, dass sich ihre Kollegen nicht weiter zu helfen wissen als mit einem Megaphon Durchsagen zu machen, aber ich gucke mir so eine Scheiße nicht einfach an. Das mache ich jetzt einfach auch mal an meinem sogenannten „Menschenbild“ fest.

Nachdem die ersten Uniformierten sich an mir ausgetobt hatten, wurde ich dann in die Hände ihrer Kollegen übergeben. Diese haben sich von den Secus Anweisungen geben lassen und befolgt. Ein krasseres Armutszeugnis von Rechtsstaat ist mir selten begegnet. Meine Aufforderung doch bitte zusammen mit meinen, wenigstens auch die Personalien der Secus aufzunehmen, die mich bis eben noch festgehalten hatten, sind sie natürlich nicht nachgekommen. Man versteht sich ja eigentlich ganz gut, so von Uniform zu Uniform!

Damit sie sich nochmal ein besseres Bild von der Situation machen können will ich sie noch einmal detaillierter Beschreiben: morgens um 6:20, damit auch ja sonst niemand zuguckt, fällt eine Armee aus Securities und Baumfällern in den Wald ein, stellt einen Zaun drumheurm auf, damit auch ja niemand zuguckt und fängt an Bäume anzusägen. Dabei auch die, in denen sich Menschen befinden. Leider hat diesen Vorgang außer mir, den Secus und den Baumpflegern in diesem Moment niemand bemerkt. Ich weiß nicht ob sie sich die Verzweiflung vorstellen können, die ich verspürt habe, als ich dabei zugucken musste und es den Sägenden egal war. Kurze Nachfrage in ihr Funkgerät und weiter ging‘s. Da hat gestern morgen jemand Anweisungen gegeben und diese Anweisung waren gefährlich.

Ich will ihnen jetzt mal was ganz gemeines sagen: Sie haben versagt! Und zwar bemerkenswert offensichtlich. Sie haben es geschafft gestern, das kleine Fünkchen Vertrauen zu ruinieren das irgendwo in der hintersten Ecke meines Gemüts vorhanden war. Der Auftritt der Polizei am Bahnhofswald war (und ist) peinlich und vor dem Hintergrund das nächste Woche ein Gesetz verabschiedet wird, das ihnen noch mehr Befugnisse und Waffen gibt dreht sich mir der Magen um. Denn den Taser hätte gestern ich abbekommen.

Ich vertraue ihnen nicht. Keinen Millimeter und genau das würde ich auch allen andren raten.

Hängt niemals euer Vertrauen an Menschen, die nicht nach ihren eigenen Moralvorstellungen handeln, sondern Paragrafen dazu heranziehen. Und deswegen, mein Lieber, wollte ich gestern nicht mit dir reden und werde es in Zukunft auch nicht wollen!

Das sind unsere Erfahrungen, von gestern, aber auch von vergangenen Kämpfen und Aktionen, vom geplanten oder ungeplanten Zusammentreffen mit Cops oder Secus, die wir selbst gemacht haben oder von Freund*innen erzählt bekommen. Das betrifft auch Erfahrungen mit der Justiz, mit einer Richterin in Flensburg, die uns gleich in den Knast steckt, wenn wir uns weigern im Gerichtssaal aufzustehen oder von Anklagen und Verurteilungen, die allein auf Grund der einzelnen Aussage eines Secus oder Cops stattfinden, mit null Chancen, dass ein Gericht einer gerichtskritischen Person glauben könnte. Auch dafür, dass Cops nicht verfolgt werden, gibt es zahlreiche Belege: Die Einstellung der Verfahren gegen die Cops, die Carlo Guiliano bei Protesten gegen den G8-Gipfel erschossen haben oder all die, die beim G20-Gipfel in Hamburg Menschen zusammen geschlagen haben. Für Polizisten, die gezielt Kletterseile durchschnitten und dadurch einen tiefen Absturz einer Person verursachten und einen zweiten Sturz fast herbeiführten, gab es Freisprüche. Und auch in Hessen wird es keine Verurteilungen der Cops geben, die Elektroschocker gegen Kletternde 4m über dem Boden auf einer Plattform einsetzten.

Vor diesem Hintergrund betrachten wir die Forderungen nach Anzeigen. Wir wissen, dass wir keine Chance haben, dass die Wahrscheinlichkeit das irgendwer von Secus oder Cops oder Investoren verurteilt wird, beinahe verschwindend gering sind. Denn all diese werden von den Gesetzen und dem Staat geschützt, der dafür da ist, das Funktionieren des Kapitalismus am Laufen zu halten. Alles hier ist auf daran angelegt, dass Profit vor allem geht. Werft mal einen Blick auf die Corona-Maßnahmen: Warum dürfen bei FFG weiter Panzer produziert werden, wenn ich nicht mal mehr eine Freundin treffen oder nachts einen Spaziergang oder eine politische Versammlung machen darf?

Selbst wenn es wider alles Erwarten eine Verurteilung geben sollte: Strafen lösen keine Probleme. Sie lösen nicht das Problem, dass im Kapitalismus Wirtschaftsinteressen beinahe immer vor dem Gemeinwohl und einer intakten Natur beachtet werden. Offensichtlich kann die Angst vor Strafen nicht Aktionen wie heute verhindern und auch nicht wie in Kiel die illegale Fällung von Ausgleichsflächen durch Möbel Höffner. Auch wenn irgendwer bestraft würde, die Bäume bleiben gefällt, die Natur zerstört. Auch die Gefahren und der mögliche weitere Anstieg der Corona-Zahlen ist nicht rückgängig zu machen.

Deshalb fordern wir nicht, dass Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln, wir fordern nicht, dass ein Gericht die Verantwortlichen einsperren sollte, wegen der Gefährdung von Menschenleben, durch Verstöße gegen den Infektionsschutz oder das Ansägen von Bäumen. Weil es uns einem guten Leben kein Stück näher bringt.

Das einzige was wir tun können, ist für die Zukunft daraus zu lernen und klar zu machen: Wir werden die Umweltzerstörung nicht hinnehmen und den Kapitalismus beenden. Und wenn konkrete Leben bedroht werden, werden wir intervenieren, vollkommen gleichgültig, ob ihr uns verprügelt oder es für illegal haltet.