Am Mittwoch, den 11. November, rief die Telegram Chatgruppe „Freiheitsboten_Flensburg“ zu der Veranstaltung „Lichter der Freiheit“ auf. Ca. 50 Personen, darunter ca 15 Kinder, fanden sich mit Laternen und Kerzen zum gemeinsamen, angeblich unpolitischen, Laternenumzug, am frühen Abend auf dem Parkplatz vom Ballastkai ein.

Zeitgleich sammelten sich ca. 50 Gegenprotestler:innen. Mit Sprüchen auf Transparenten wie „Euer Weg ist ein Rechter“ oder „Abstand zu Nazis, schützt Freiheit“ und Rufen demonstrierten sie gegen den vermeintlich harmlosen Laternenlauf. Durch den Gegenprotest konnte nur eine kleine Gruppe von 7 Personen eine kurze Strecke am Hafen spazieren gehen und wurde auch dabei von Gegendemonstrant:innen begleitet und gestört. Der Großteil des Umzugs wurde jedoch nach wenigen Metern blockiert. Nach ca. 1 Stunde wurde der Lichterlauf von Seiten der Polizei aufgelöst und die Teilnehmenden zurück zu ihren Autos begleitet.

Sicherlich fragen sich einige Leser:innen, warum ein harmlos wirkender, netter Laternenumzug, dazu noch mit Kindern, von Gegendemonstrant:innen blockiert wurde. Dazu ist es nötig, einen Blick auf den Veranstalter und die Teilnehmenden des Umzugs zu werfen. Einige der Teilnehmenden des Umzugs, waren bekannte Gesichter von der Initiative „Flensburg für Grundrechte“ oder regelmäßige Besucher:innen dieser Demonstationen. Aber auch uns unbekannte, neue Gesichter waren dabei.

Freiheitsboten / Bodo Schiffmann

Der Umzug „Lichter der Freiheit“ wurde von der Telegramgruppe „Freiheitsboten_Flensburg“ initiiert. Diese Gruppe ist ein lokaler Ableger des Vereins Freiheitsboten e.V., der aus Initiative von Dr. Bodo Schiffmann entstanden ist.

Dr. Bodo Schiffmann, prominenter Akteur bei vielen „Querdenken“-Demonstrationen und Mitbegründer der kurzlebigen Schwurbelpartei „Widerstand2020“, hatte bereits Anfang Mai, die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona Pandemie mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 verglichen. Auch behauptete er, das es „ (..) Quarantänelager“ geben würde und diese „ (..) hat man früher als KZ bezeichnet“. Das Schiffmann hier die Verbrechen der NS Zeit relativiert ist offensichtlich. Auch hat er kein Problem mit rechten Akteuren gemeinsame Sache zu machen, beispielweise mit Attila Hildmann oder der Gruppierung der sogenannten „Reichsbürger“. Zitat: „Ob Attila Hildmann oder Reichsbürger, alle müssten nun gemeinsam in den Widerstand gehen“.  Zu der Reichsbürgerszene, ebenso zu Attila Hildmann und „Widerstand2020“ haben wir bereits kurze Artikel verfasst.

https://www.volksverpetzer.de/bericht/querdenken-rechtsextrem/

https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2020/05/06/bodo-schiffmann-der-arzt-dem-die-corona-rebellen-vertrauen/

In dem Flensburger Chat organisierten sich die Mitglieder vor allem zum verteilen von Flyern in Briefkästen, im Raum Flensburg und ländlicher Umgebung. Diese Flyer stammen ebenfalls von Schiffmann. In der „Anleitung zum Flyer verteilen“ auf der Internetseite der Freiheitsboten wird erklärt: „ (..) Bodo Schiffmann ist Inhaber des Impressums. Wir sind seine (Friedens) Boten.“ Inhaltlich bieten die Flyer eine krude Mischung aus Desinformationen über die Corona Pandemie und gefährlicher Verharmlosung des Virus.

(https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/corona-pandemie-desinformation-im-briefkasten,SDTfMbH)

Die Flensburger Freiheitsboten teilten auch den Telegram Kanal von Attila Hildmann und nahmen positiv Bezug darauf. Sie mobilisierten nicht nur zu einer gemeinsamen Anreise zu der Querdenken-Demonstration in Leipzig – einige der Mitglieder selbst waren in Leipzig mit dabei. Das wundert nicht, da einige Mitglieder des Chats auch bei der Initiative „Flensburg für Grundrechte“ aktiv sind. Außerdem wurde immer wieder Werbung und Informationen der Gruppe „Flensburg für Grundrechte“ gepostet.

Unpoliddisch?!

Es ist also deutlich, dass die Ankündigung zum gemeinsamen Laterne laufen, unter der Bezeichung „Lichter der Freiheit“ aus einem klaren Kontext von rechtsoffenen Virusverharmloser:innen und verschwörungsideologischen Querfrontlern kommt.

Selbst wenn vielleicht sogar einige wenige, Unwissende, nichts von dem Kontext des Chats wussten, keine Informationen über die Veranstalter:innen hatten, hätten sie stutzig werden müssen. Denn alle anderen, vorher angekündigten (meist kirchlichen) Laterneumzüge wurden an diesem Tag coronabedingt abgesagt.

Eine Teilnehmerin des Umzugs hatte 2 Laternelampions in Deutschlandfarben dabei. Auch trug keiner der Teilnehmer:innen eine Mund-Nasen-Bedeckung, noch hielten sie den nötigen Abstand zu einander ein. In Zeiten, in der auch in Flensburg die Zahl der Corona Infektionen in den letzten Wochen stiegen und weiterhin steigen, ist es als (politisches) Statement zu lesen, diese Hygienemaßnahmen bewusst zu ignorieren.

Die Absurdität der immer wiederkehrenden Behauptung der (Flensburger) Schwurbler, dass alles – der Umzug, die Deutschlandlampions, die „Freiheitsboten“ oder die Demonstrationen der Initiative „Flensburg für Grundrechte“, unpolitisch seien, bedient auch die Illusion einer vermeintlich unpolitischen „Mitte“ der Gesellschaft. Doch nicht nur nach den sogenannten „Hygiene-Demos“ im Sommer 2020 in Berlin oder der „Querdenken“ Demonstration in Leipzig diesen November, ist klar, das Virusleugner:innen und Verschwörungsgläubige eine Anschlussfähigkeit für Neonazis und rechte Propaganda bieten und dadurch den Rechtsruck der Gesellschaft vorantreiben.

(Mehr dazu auf unserem Flyer: „Wo sind denn hier die Nazis?“)

Es ist gezielte Strategie der Schwurbler:innen, sich als unpolitisch darzustellen und auch explizit zu planen, bei bestimmten Veranstaltungen ohne Flaggen, Symbole, etc. aufzutauchen, um behaupten zu können, sie seien unpolitisch. Aufrufe wie dieser aus Kiel, beweisen jedoch das Gegenteil. Es zeigt, das es etwas Politisches sein soll, aber die Leute aus strategischen Gründen „die Politik“ verstecken sollen.

Denkt mal einer an die Kinder…?

Einige der Schwurbler:innen hatten am Mittwoch ihre Kinder mitgenommen. Der Aufruf der „Flensburger Freiheitsboten“ bewarb die Veranstaltung explizit mit den Worten „Freies Spazieren für Groß und Klein“.

Wir halten es für schwierig, zu einer solchen Veranstaltung aus oben erklärtem Kontext, Kinder mitzunehmen. Es gab in Flensburg zu Schwurbel Veranstaltungen in der letzten Zeit immer wieder Gegenproteste, es war also zu erwarten, dass auch diesmal ein Gegenprotest stattfinden würde. Sich im Nachhinein über den Gegenprotest zu beschweren, da er „Kindern Angst machen“ würde, ist fahrlässig.

Es ist nichts Gutes daran, zu sehen das Kinder sich in solchen Szenarien auch unwohl fühlen können und wir achten darauf, diesen mit Rücksicht zu begegnen. Ein Gegenprotest bleibt bei dieser Scheiße aber weiterhin notwendig. Vielmehr macht es uns wütend, das erwachsene Menschen, Kinder für ihre Zwecke instrumentalisieren und diese gerne als Grund vorgeschoben werden, um Gegenproteste zu denunzieren.

Besonders perfide wird die Sorge um „die Kinder“ Seitens der Schwurbler, wenn wir uns erinnern was der Initiator der Freiheitsboten, Bodo Schiffmann, für Falschbehauptungen in Umlauf gebracht hat. Bereits seit Anfang September kursierte im Netz die Behauptung, dass ein 13-jähriges Mädchen verstorben sei, weil sie einen Mund-Nasen-Schutz getragen habe. Obwohl für die Todesursache Mund-Nasen-Schutz in dem Fall keinerlei Belege vorliegen, verbreitet Bodo Schiffmann nun in einem neuem Video Fake News, das ein weiteres gleichaltriges Kind gestorben sei – ebenfalls durch das Tragen einer Alltagsmaske. Details oder Belege dafür, nennt er keine. Im Gegenteil, den Behörden ist ein solcher Fall nicht bekannt. Auch die Angehörigen des verstorbenden Kindes baten darum, keine Falschmeldungen zu verbreiten. Es ist mehr als widerlich und gefährlich, das Pandemie Leugner wie Bodo Schiffmann, den Tod von den 2 verstorbenen Kindern instrumentalisieren und wie hartnäckig diese sich Gerüchte halten. https://correctiv.org/faktencheck/2020/10/08/es-gibt-keine-belege-fuer-die-geruechte-dass-kinder-gestorben-sind-weil-sie-masken-trugen/

https://www.volksverpetzer.de/corona-faktencheck/zweites-kind-fake/

Abschließend können wir festhalten, dass wir es an diesem Abend nicht gerne gemacht haben, aber es notwenig war, sich trotz der Kinder, dieser Demonstration in den Weg zu stellen. Denn es nicht zu tun, hätte aus unserer Sicht ein fatal falsches Zeichen gesetzt. Weitergedacht würde es nämlich bedeuten, dass automatisch jeder Aufmarsch von Neonazis oder rechtsoffenen Leuten geduldet werden müsste, sobald dort Kinder mitlaufen würden. Und das kann bei aller notweniger Vorsicht, wenn Kinder an Protesten beteiligt sind, niemals der Umgang mit Aufmärschen von rechtsoffenen Menschen und Virusleugner:innen sein.