Gegenöffentlichkeit in Flensburg

Einzelhandelsdemo, Coronaverharmlosung & „Die Basis“

Am 25.3.21 um 12.00 Uhr demonstrierten Einzelhändler*innen auf dem Südermarkt gegen sie einschränkende Coronamaßnahmen. Sie fürchten um ihre Existenzen, fordern Öffnungskonzepte beispielsweise für den Draußenbetrieb der Gastronomie. Eine Menge der Anliegen sind verständlich und die Unzufriedenheit über verordnete Maßnahmen, die sich nicht an den Gegebenheiten des Einzelfalls orientieren, ist nachvollziehbar. Und trotzdem haben wir auch mit diesen Demos ein Problem. Nein, nicht, weil wir „immer gegen alles“ sein müssen und auch nicht, weil wir die staatlichen Maßnahmen alle gut fänden oder die Sorgen der Unternehmer*innen nicht sehen würden. Sondern weil wir nach wie vor der Auffassung sind, dass sich Maßnahmenproteste glaubwürdig von rechten und rechtsoffenen Kreisen und von Coronaleugner*innen abgrenzen müssen, wenn sie ernst genommen werden wollen. Eine solche glaubwürdige Distanzierung erfolgte jedoch nicht. Zwar gab es Redner, die sich positiv auf Masken und Abstandsregeln bezogen und entgegen vorheriger Ankündigung durfte auch kein*e Vertreter*in von „Die Basis“ reden (dazu später mehr), aber unter den Teilnehmer*innen der Kundgebung waren zahlreiche bekannte Coronaverharmloser*innen und Verbreiter*innen von Verschwörungsmythen.

So wurden wir beispielsweise auch mal wieder gefragt, wie viel der Staat uns für unseren Gegenprotest die Stunde zahlen würde und es wurde behauptet, wir würden Mörder beschützen (wenn wir es richtig verstanden haben, weil wir uns für Impfungen ausgesprochen hatten). Unsere Kritik wurde mit „Halt doch die Fresse du Fotze“ beantwortet.

Auch auf mehrfache explizite Aufforderung, gab es keine Distanzierung von Coronaleugner*innen seitens der Veranstalter*innen. Im Gegenteil plauderte einer der Redner im Anschluss an seine Rede noch länger mit David Claudio Siber von „Die Basis“ und eine Person trug ein T-Shirt der Intiative „Flensburg für Grundrechte“. Es wirkte, als seien sich die Veranstalter*innen bewusst, dass eine Distanzierung Sympathien der coronaverharmlosenden Teilnehmenden gekostet hätte, eine Nichtdistanzierung aber auch schlecht aussähe. Insgesamt dem Anschein nach ein eher unentschlossen feiges Rumgeeiere statt klarer Ansagen.

Und noch zur Basis: Ganz ehrlich: Wir wollen diese wirre Kleinpartei nicht wichtiger machen, als sie ist. Unserer Beobachtung nach organisieren sich jedoch maßgebliche Akteur*innen, die zuvor bei der Initiative „Flensburg für Grundrechte“ aktiv waren, nun bei „Die Basis“, weshalb wir dann doch auf Partei und einige der dort Aktiven etwas genauer gucken wollen. Nützt ja nix…

Alte Verschwörungsmythen in neuem Gewand: Die Partei „Die Basis“

„Uns allen ist die Gesundheit wichtig, wenn nicht gar höchstes Gut.“ schreibt die Partei „die Basis“ auf ihrer Homepage. Geschmacklos, menschenverachtend, ekelerregend und widerlich finden wir das in diesem Kontext. Warum? Weil „die Basis“ eine der Parteien ist, die sich aus den Reihen der coronaverharmlosenden bis coronaleugnenden Gruppen entwickelt hat.

Eines der Mitglieder von „die Basis“ dürfte einigen hier in Flensburg noch bekannt sein, denn er war früher bei den Grünen aktiv. Die Rede ist von David Claudio Siber, mittlerweile gewählter bundesweiter Medienbeauftragter von „Die Basis“, Koordinator und eines der vermeintlich prominenten Aushängeschilder der Partei.

Siber war als Redner auf eben jener Demo in Berlin, aus der später der Angriff auf den Reichstag erfolgte und auf der zahlreiche rechte Parolen, Flaggen und Klamotten bei den Teilnehmenden zu sehen waren. „Wer mit Faschisten auf die Straße geht, hat bei uns Grünen nichts zu suchen. Weder in Flensburg noch sonst irgendwo.“ war die angenehm deutliche Antwort darauf von Rasmus Andresen, Europa-Parlamentarier.

Siber hingegen schreibt der „sog. „Sturm auf den Reichstag“ war ein Fake und Kontaktschuld ist nichts weiter, als ein Instrument der Unfreiheit, des Terrors und der Agumentationsschwäche [sic].“ Nein, David Claudio Siber: Wer mit Nazis auf die Straße geht, verschafft ihnen Legitimität und Nährboden. Das derart lapidar wegwischen zu wollen zeugt entweder von krasser Geschichtsvergessenheit oder von bewussten Querfrontbestrebungen, also gezielten Plänen zur Zusammenarbeit mit Neurechten. Die Kritik an Sibers rechtsoffenem Verhalten dann auch noch als „Terror“ zu bezeichnen verrät eine Menge über Sibers abstruses Weltbild.

Auf telegram schreibt Siber in seiner Profilbeschreibung: „Wir haben keine epidemische Notlage nationaler Tragweite, sondern eine politische Notlage internationalen Ausmaßes. Je früher wir Coronaviren freisprechen, desto eher können wir uns mit der tatsächlichen Krise befassen, der Regierungskrise in diesem Land“. Er leugnet damit das Vorhandensein einer Pandemie und die Gefährlichkeit von Corona. Seine Argumentation reiht sich damit ein in die klar antisemitischen Verschwörungsmythen, es handle sich um eine „Plandemie“, also eine von ominös-verschworenen dunklen Mächten gezielt erzeugte Situation. Dass Siber darüber hinaus auch noch Texte aus dem Schildverlag bewirbt, der dem esoterisch neurechten Spektrum zuzuordnen ist, wundert da auch keine*n mehr.

Was aber doch zu denken gibt ist, wenn sich Einzelhandelsvertreter wie Herr Drews als Vertreter der Flensburger Gilde e.V. öffentlich auf facebook über jemanden von „Die Basis“ als Gastredner auf ihrer Demo freuen. Und das, obwohl wenige Zeilen darüber noch zu lesen war „Wir brauchen keine Corona Verleugner“. Nun, dann stellt sich aber doch die Frage: Warum ladet ihr sie dann ein?

Handelt es sich bei Siber vielleicht um einen Einzelfall innerhalb der Basis? Keineswegs. Weiteres prominentes Mitglied ist der Anwalt Füllmich, der seit Monaten Spenden für eine angebliche Sammelklage gegen Herrn Drosten sammelt. Füllmich fiel in den letzten Wochen dadurch auf, dauernd vor Gericht auf voller Linie zu verlieren, weil seinen kruden Behauptungen, PCR-Tests seien unzuverlässig und als kausales Resultat dessen seien die Maßnahmen unzulässig, einfach vorne und hinten die Logik fehlt. Die Stimmen, die in der Kampagne primär eine Spendensammelaktion aka Gelddruckmaschine vermuten, mehren sich.
Wer nun darauf hoffte, das Problem bliebe weit weg, irrt leider: So hat auch Flensburg seit Februar 2021 einen neuen Kreisverband, für dessen Gründung sich 30 Menschen in der Gaststätte „Turner´s“ getroffen haben. Moment mal, Treffen mit 30 Personen während die 7-Tage Inzidenz weit über 100 liegt?! Na klar, kein Problem für die Basis. Auch wenn politische Veranstaltungen weiterhin erlaubt sind, zeigt die Partei bereits an dieser Stelle, wie es so um die Solidarität steht – sehr schlecht. Der Sportverein TSB, auf dessen Gelände das „Turner´s“ liegt, hat nach eingegangener Kritik verfügt, dass die Basis die Räumlichkeiten nicht weiter nutzen kann.

Der lokale Kreisverband der Basis besteht übrigens (wen wundert‘s?) zu einem Großteil aus Menschen, die auch bei „Flensburg für Grundrechte“ an zentraler Stelle involviert waren oder noch engagiert sind. Eben jener Initiative, die auf ihren Demos AfD-Politiker und Holocausrelativierer explizit duldete.

Auf der Homepage der Partei die Basis werden vier Säulen benannt, die für die Inhalte der Partei stehen sollen. Diese Säulen sind Freiheit, Machtbegrenzung, Achtsamkeit und Schwarmintelligenz.

Klingt nach Schwurbel? Ist es auch!

Auf der Homepage lesen wir unter „Freiheit“ folgenden Abschnitt: „Die Meinung soll frei geäußert werden können, ohne Missbilligung, Repressalien, Verlust von Reputation oder gar Arbeitsplatz, Zensur oder Diffamierung zu fürchten. Die Coronakrise zeigt uns, dass die Meinungsfreiheit unbedingt wiederhergestellt werden muss.“
Die Basis geht also davon aus, dass die Meinungsfreiheit aktuell eingeschränkt ist. Hier wird mal wieder deutlich, dass vielen Menschen der Basis scheinbar der Unterschied zwischen Meinungsfreiheit und Widerspruchsfreiheit nicht bewusst ist. Jeder Mensch darf in Deutschland seine Meinung frei äußern, allerdings muss man eben auch damit rechnen, dass bestimmte Positionen Widerspruch hervorrufen. Dies kann beispielsweise passieren, wenn man die Existenz von Corona leugnet oder Corona als handelsübliche Grippe verharmlost. Außerdem kann niemand dazu gezwungen werden, sich alle Meinungen anzuhören, vor allem dann nicht, wenn diese „Meinungen“ menschenverachtende Ansichten beinhalten, wie beispielsweise rassistische oder antisemitische Äußerungen oder Handlungen.

Zusammenleben erfordere Verantwortungsübernahme auch für andere, so schreibt es die Basis unter der Überschrift „Machtbegrenzung“ und unter „Achtsamkeit“ heißt es auf der Website: „Ohne Achtsamkeit uns selbst gegenüber, aber auch unseren Mitmenschen, der Gesellschaft und vor allem der Natur gegenüber, schaffen die Menschen sich mehr Probleme denn je, behindern sich am Lösungsweg und die Situation verschlimmert sich im Kleinen wie im Großen immer weiter.“
Wie genau rechtfertigt die Ortsgruppe Flensburg denn im Kontext dieses Satzes der eigenen Homepage ein Treffen mit 30 Menschen, während in der Stadt ein Inzidenzwert von weit über 100 seit Tagen gehalten wird? Verständnis-Vorschlag 1: Die Partei ist gar nicht so sehr an den eigenen Mitmenschen interessiert, wie sie es vorgibt. Verständnis-Vorschlag 2: Die Partei leugnet oder verharmlost Corona. Unter dieser Voraussetzung wäre es natürlich auch nicht schlimm sich zu treffen, wenn Corona nicht existiert oder nicht schlimmer als eine Grippe wäre. Bereits zum Zeitpunkt der Gründung des Kreisverbandes sind in Schleswig-Holstein über 1000 Menschen an Corona verstorben. Wir lassen das einfach mal so stehen.

Und dann finden wir online natürlich auch noch was zu Schwarmintelligenz: „Die Bevölkerung ist eine unerschöpfliche Quelle von Erfahrungen, Wissen und wertvollen Perspektiven und Talenten. Alle Ideen und Konzepte einer friedlichen und freiheitlichen Gesellschaft der Zukunft und Nachhaltigkeit sind bereits vorhanden. Wir müssen sie nur noch endlich in die Umsetzung bringen.“
Grundsätzlich klingt diese Idee interessant. Leider ist sie auch sehr inhaltsleer und sagt nichts darüber aus, was im Sinne der Partei wertvolle Perspektiven sind oder unter welchen Gesichtspunkten die Partei eine Gesellschaft als friedlich und freiheitlich betrachtet.
Fliegenschwärme kreisen um braune Haufen. Wie ist es um die Schwärme der Basis bestellt?

 

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