Wir haben heute in der Flensburger Innenstadt verschiedener Opfer von Polizeigewalt gedacht. Neben Kreideumrissen hinterließen wir kurze Infotexte zu Amad Ahmad und Oury Jalloh (in Zellen verbrannt), Natasha McKenna (die nach einem Taser Einsatz starb), Aamir Ageeb (der bei einer Abschiebung starb) und zu Slieman Hamade (Tod durch Pfefferspray) sowie Achidi John (Tod durch Brechmitteleinsatz). Anlass ist die am Mittwoch stattfindende Innenministerkonferenz in Magdeburg.
Im folgenden unsere Infotexte
Amad Ahmad – Eingesperrt und verbrannt
Amad Ahmad stammte aus dem kurdischen Efrîn in Syrien und wurde auf Grund einer Verwechselung unschuldig in Untersuchunghaft gesperrt – die Polizei hatte auf den Abruf aller Informationen zur gesuchten Person verzichtet. Das hätte den Fehler leicht vermeiden können, denn nicht einmal die Muttersprache stimmte überein, noch Fingerabdrücke oder das Geburtsdatum. Aus ungeklärten Gründen brach am 17.9.2018 Feuer in Amad Ahmads Zelle in der JVA Kleve aus, er starb fünf Tage später. Brandsachverständige kamen erst zweieinhalb Wochen nach dem Brand, obwohl Brandbeschleuniger nur wenige Tage nachweisbar ist. Später wurde klar: Der Gefangene hatte einen Alarmknopf gedrückt – die Gefängnisleitung reagierte nicht oder spät.
Das erinnert fatal an den Tod von Oury Jalloh 2005 in einer Polizeizelle in Dessau, der dort gefesselt verbrannte – wahrscheinlich ermordert von der Polizei. Nach Jahren der Vertuschung durch alle Behörden ist das jedoch kaum nachweisbar.
Polizei und Justizbehörden fallen immer wieder durch offenen Rassismus auf. Dieser wird durch Gesetze zu verdachtsunabhängigen Personenkontrollen oder Schleier-fahndungen durch die Innenministerien strukturell befördert. Auch das wird vermutlich auf der Innenministerkonferenz in Magdeburg am Mittwoch weiter gehen.
Quellen:
Tod von Amad Ahmad: Unabhängiger Rechtskostenfond soll Licht ins Dunkle bringen
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1104041.amad-ahmad-so-viele-krasse-fehler.html
https://www.zeit.de/2018/10/oury-jalloh-dessau-zelle-tod-aufklaerung
Natasha McKenna – Tod nach Taser-Einsatz
Natasha McKenna starb nach einem Taser-Einsatz der Polizei in den USA. Ihr wurde vorgeworfen, einen Polizisten geschlagen zu haben, nach kurzem Aufenthalt in der Psychatrie wurde sie ins Gefängnis gebracht. Als sie von sechs Polizisten in Kampfanzügen nackt aus der Zelle geholt wurde, weigerte sie sich und kämpfte mit den Polizisten, die sie schließlich an einem Stuhl festbanden, ihr eine Kappe über den Kopf zogen und sie mit vier Stromstößen aus dem Taser traktierten. Natasha McKenna fiel ins Koma und starb vier Tage später. Zwischen 2001 und 2017 wurden 700 Menschen in den USA durch Taser getötet.
Auch in Nürnberg starb ein 43-Jähriger im Oktober 2018 nach einem Taser-Einsatz der Polizei. In Deutschland war der Taser (offiziell: „Elektroimpulsgerät“) bis zum letzten Jahr nur bei Spezialkräften in wenigen Bundesländern im Einsatz. In fast allen Ländern wurden oder werden aktuell neue Polizeigesetze gemacht, die den Einsatz der sogenannt „weniger-tödlichen“ Waffen erlauben. Selten werden die Taser jedoch als Alternative zur Schusswaffe eingesetzt, immer wieder jedoch zum bewussten Zufügen von Schmerzen. Die am Mittwoch tagende Innenministerkonferenz in Magdeburg will auch dies wahrscheinlich in ein Musterpolizeigesetz übernehmen – Zeit dagegen zu protestieren.
Quellen:
https://www.heise.de/tp/features/Tod-nach-Einsatz-von-Taserwaffen-durch-Polizisten-3376897.html
https://www.br.de/nachrichten/bayern/nach-taser-einsatz-in-nuernberg-keine-fassbare-todesursache,R7OyUKo
Aamir Ageeb – Tod bei Abschiebung
Am 28.5.1999 starb der sudanesische Flüchtling Aamir Ageeb während seiner Abschiebung von Frankfurt am Main über Kairo nach Khartum (Sudan) in einem Lufthansa-Flug durch die Hand von Bundesgrenzsschutz-Beamten.
Mit einem Motorradhelm auf dem Kopf saß Ageeb gefesselt zwischen zwei BGS-Beamten, die ihn festhielten und nach unten drückten. Ein dritter presste Ageebs Oberkörper von oben herunter. Als die drei Beamten den Sudanesen nach dem Verlöschen der Anschnallzeichen losließen hing Ageeb tot im Sitz. Er erstickte – weil zu lang und zu fest zugedrückt wurde. Die beiden BGS-Beamten wurden zu neun Monaten Haft wegen „Körperverletzung mit Todesfolge in einem minderschweren Fall“ auf Bewährung verurteilt.
Zwangsabschiebungen werden in Deutschland regelmäßig durchgeführt, dabei kommt es immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen durch die Abschiebe-Praxis: Zu rassistischen Sprüchen, gefährlichen Fesselungen und erniedrigender Behandlung.
Statt einem Stopp der Abschiebungen werden auch auf der Innenministerkonferenz Mittwoch in Magdeburg neue Mittel entwickelt, um Flüchtende aufzuspüren und zurückzuschicken. Beispielsweise durch polizeiliche europäische Zusammenarbeit und Datenübermittlung. Wir wollen nicht, dass Menschen bei oder nach Abschiebungen sterben – Bleiberecht für alle!
Quelle:
www.aamirageeb.de/ageeb/index.php
Slieman Hamade – Tod durch Pfefferspray
Am 1. März 2010 starb der 32jährige Slieman Hamade aus Berlin-Schöneberg an den Folgen eines brutalen Polizeieinsatzes. Kurz zuvor gab es in der Familie Streit, die Musik der Nachbarn war zu laut und Sliman war wütend. Die hinzugerufene Polizei sollte die Situation beruhigen. Stattdessen zerrten diese Sliman aus der Wohnung, schlugen in mit Schlagstöcken zusammen, fesselten ihn und sprühten ihm Pfefferspray direkt in die Atemwege.
Slieman bekam keine Luft mehr – die Polizisten wollen nicht bemerkt haben, dass er nicht mehr atmete. Nach einer versuchten Wiederbelebung stirbt er im Krankenhaus.
Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen gegen die Polizei bereits Ende April 2010 ein.
Immer wieder gibt es Fälle, in denen Pfeffersprayeinsätze zum Tod führen, gerade im Zusammenhang mit Alkohol- oder Drogeneinfluss. Trotzdem wird Pfefferspray großflächig eingesetzt und von kaum jemand in Frage gestellt. Auf der Innenministerkonferenz in Magdeburg wird dagegen eher über eine Erweiterung des Waffenkatalogs der Polizei diskutiert und nicht darüber, wie Polizeigewalt Einhalt geboten werden könnte.
Quelle:
nojusticenopeace.blogsport.eu/2010/09/07/uber-den-tod-von-slieman-hamade
Achidi John – Tod durch Brechmittel
Der 19jährige Nigerianer Achidi John kam nach einem am 9. Dezember 2001 gewaltsam durchgeführten Brechmittel-einsatz zu Tode. Er stand im Verdacht, Drogen zu handeln. Während fünf Polizisten ihn am Boden fixierten, flößte eine Ärztin mittels einer Nasen-Magen-Sonde ein Brechmittel ein. Als Achidi John vom Stuhl kippte, weil ein Nerv in der Speiseröhre berührt wurde, der das Herz zum Stillstand brachte, wurde dies einige Minuten lang ignoriert. Reanimierungsversuche blieben erfolglos. Die Staatsanwalt-schaft weigerte sich, ein Ermittlungsverfahren gegen die beteiligten Beamten einzuleiten.
Die Brechmitteleinsätze wurden in Hamburg 2001 als reguläre Maßnahme der Strafverfolgung zum Kampf gegen Drogendealer eingeführt. Seit dem Tod von Achidi John erfolgten (bis Ende 2003) weitere 286 Brechmitteleinsätze, obwohl die Hamburger Ärztekammer klarstellte, dass Brechmitteleinsätze gegen den Willen der Betroffenen ärztlich nicht zu vertreten sind. In den meisten Fällen hatte nicht mal ein Gericht den Einsatz angeordnet, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist.
Statt über die Auswirkungen der Mittel für die polizeilichen Ermittlungen zu diskutieren, werden auf der Innenministerkonferenz in Magdeburg immer neue und mehr Befugnisse für die Polizei gefordert.
Quelle:
nojusticenopeace.blogsport.eu/2010/09/07/uber-den-tod-von-slieman-hamade