Szenen wie mensch sie aus Reportagen über den Umgang mit (Sub-)Kulturen aus beispielsweise Russland oder anderen autoritären Regimen kennt: schwarze Transporter fahren vor, schwer ausgerüstete, vermummte Polizeieinheiten springen heraus, stürmen einen Rave und behandeln die Anwesenden wie Schwerkriminelle. Türen werden mit dem Rammbock eingeschlagen, Hunde kommen zum Einsatz, Leute werden separiert, durchsucht, schikaniert, festgenommen, von den Toiletten gezerrt, müssen in der Kälte stehen und werden generell in Angst und Schrecken versetzt. Und selbst in dieser Position der Übermacht filtert die Polizei noch nach rassistischen Kriterien aus, wer zuerst durchsucht wird.
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Offiziell wird die Razzia im Kühlhaus (in Flensburg) in der Nacht vom 18. auf den 19. Februar damit begründet, dass der Verdacht bestand, dass Anwesende dort ›Betäubungsmittel‹ konsumieren würden. Deswegen wurde eine gutbesuchte Party mit einer eigens herangefahrenen Hundertschaft aus Eutin brutal überfallen.
Was für ein Ausdruck von irrwitziger und vollkommen fehlgeleiteter Drogenpolitik. Selbst realpolitisch haben unter anderem Portugal und Tschechien längst demonstriert, dass nur eine Entkriminalisierung von sämtlichen Substanzen zu einem vernünftigerem Umgang der Konsument*innen führte.
Aber geht es denn wirklich um ein paar Menschen, die einen dionysischen, rauschhaften Abend verbringen wollten und dabei womöglich auf andere als die staatlich regulierten Substanzen zurück griffen? Legitimiert das einen Einsatz gegen Hunderte Menschen, die einfach nur raven wollten?
Oder verbirgt sich dahinter auch der autoritäre, lebensfeindliche und zu tiefst deutsche reaktionäre Geist in Politik und Polizei? Denn wer dort vom Feiern abgehalten wurde sind jene, die sich in den engen Räumen dieser Gesellschaft einen Freiraum suchen, einen Raum in dem sich Identitäten frei entfalten und dem Hamsterrad des Alltags entkommen lässt. Ist die Feierei zu unkontrolliert, zu wild, zu unregierbar?
Was ebenfalls spannend ist: so ein großer Einsatz wird doch höchstwahrscheinlich mit der Politik abgesprochen. Seit kurzem sitzt der neue, konservative Bürgermeister #GurkenGeyer im Amt. Neben der störenden Feierei stört das Kühlhaus am jetzigen Standort schließlich einige Pläne für das geplante, schicke Bahnhofsviertel. Für das genau vor 2 Jahren auch der Bahnhofswald geräumt wurde.
Fakt ist: durch solche Einsätze wird Flensburg immer grauer, autoritärer und lebensfeindlicher – und damit irgendwie dann zu einem Stück Bayern im Norden. Vermutlich ist das genau die Utopie der Spießer*innen in Politik und Polizei … doch wir haben da andere Vorstellungen, von einer lebens-bejahenden, rebellischen und freieren Kultur, mit einem Recht auf Rausch und auf Soberness, mit Freiräumen und Safer-Spaces für alle, die nicht in die todeslangweiligen Normen dieser Gesellschaft passen.
2018 sorgte eine Razzia im Bassiani in Tiblissi (Georgien) für riesige Proteste – und dafür, dass der Laden und weitere seit dem gesicherter weiter existieren. Auch in Flensburg müssen wir uns wohl nun wohl oder übel gegen rechts-konservativen Backlash und autoritären Geist wehren. Selbst wenn wir im Kühlhaus nun wirklich wenig von der Utopie sehen, die wir uns wünschen, bleibt es doch eben zumindest einer der wenigen Orte in Flensburg für Raves und andere Subkultur.
Fight Together, Dance Together!
FasterHarderFlensburg
20. Februar 2023 — 16:39
Mega gut geschrieben. Wirklich. Die Elektronik Szene in Flensburg ist mit die ruhigste und friedlichste überhaupt. Das man bei so einen Rave so assi behandelt wird von dem Eutiner Karnevalverein ist unter aller sau. Aggressive köstümierte Polizisten die alles versuchten um zu provozieren, handgreiflich wurden die Zeit haben Handynummern von jungen Raverinnen zu ergattern geht einfach zu weit. Da macht das Zitat dein Freund und Helfer gleich eine ganz andere Bedeutung.
Danke für den Ausführlichen Bericht.
x
20. Februar 2023 — 22:05
So unnötig, da Leute Nachts hinzuschicken, um da sone Randale zu machen.
Lasst die Kids doch feiern. Who cares?
Sonst verschwindet noch das letzte Leben aus der Stadt.
B.
21. Februar 2023 — 7:44
Vielleicht sollte man das ganze nicht so verharmlosen den es ist schon Schleswig-Holstein weit bekannt dass da ständig Drogen genommen werden ganz egal ob leichte oder harte !!! die rede ist immer von Musik und Rave und so ein käse aber wenn man so voll ist mit Drogen ist sogar furzen Musik also bitte beachtet dass da immer Drogen verkauft und genommen wird fertig aus
Jörg Pepmeyer
21. Februar 2023 — 9:51
Eingebettet in eine autoritäre Strategie und Logik kapitalistischer Verwertungsinteressen
Man kann diesen Polizeieinsatz auch als Teil einer Strategie sehen, das Kühlhaus sozusagen aus übergeordneten stadtplanerischen Gründen und im Sinne kapitalistischer Verwertungsinteressen sturmreif zu schießen.
Warum? Bereits seit 2013 gibt es Planungen das Umfeld des Kühlhauses und das gesamte Bahnhofsviertel neu zu bebauen. Die Planungsabteilung und die Mehrheit der Kommunalpolitiker*innen stellen sich dort ein völlig neues Stadtquartier vor. Profitieren wird davon vor allem die lokale Bau- und Immobilienwirtschaft. Der von der Ratsversammlung beschlossene Rahmenplan Südstadt Bahnhofsumfeld sieht das Kühlhaus deshalb an seinem jetzigen Standort nicht mehr vor. Bisher sind die Verhandlungen über einen neuen Standort noch nicht richtig vorangekommen. Dumm auch für die Stadt, dass der Verein Kulturwerkstatt Kühlhaus e.V. gleichzeitig Besitzer des Gebäudes mitsamt dem Grundstück ist. Da man das alles nicht so einfach enteignen kann, hilft es natürlich Druck aufzubauen.
Viel entscheidender ist aber, dass die Stadt die Flächen am Mühlendamm so schnell wie möglich baureif für Investoren machen will. Deshalb wurde nach der Insolvenz des VfB Nordmark der Sport- und Fußballplatz am Mühlendamm mitsamt den zugehörigen intakten Gebäuden und der Infrastruktur dem Erdboden gleichgemacht. Im Juli 2016 war der Verkauf des mehrere Hektar großen Geländes an die Stadt Flensburg durch die Deutsche Bahn erfolgt und im September rollten bereits die Bagger an. Obwohl der Sportplatz auch von anderen Vereinen hätte genutzt werden können, und das Ganze völlig unnötig war, gab es bis auf wenige Ausnahmen kein Veto der Kommunalpolitiker*innen. Ähnlich erging es dem Projekt Bunnies Ranch. Das und seine Aktivist*innen wurden im März letzten Jahres von ihrem Standort nahe dem Kühlhaus verjagt. Anschließend wurden die vom Projekt genutzten Gebäude abgerissen und die Fläche planiert. Nicht anders erging es vor ein paar Jahren auch der Luftschlossfabrik an der Harniskaispitze. Auch dort wurde nach der Räumung das Gelände dem Erdboden gleich gemacht. Nun soll im Hafen ein komplettes neues Stadtquartier entstehen. Nutznießer werden auch dort vor allem die Akteure der Bau- und Immobilienwirtschaft sein. Und der Konflikt um das angedachte Hotel am Bahnhofswald zeigt, wie weit Stadt und Politik im Zweifelsfall sogar bereit sind zu gehen.
Anders ausgedrückt, die Stadt vernichtet bewusst kulturelle Freiräume, ökologisch wertvolle Biotope, um die Profitinteressen der Bau- und Immobilienwirtschaft zu bedienen.
Insofern wäre es ganz hilfreich, wenn sich mehr Menschen dem Kampf in Flensburg gegen den Ausverkauf unserer Stadt und einer menschenverachtenden Stadtplanungspolitik anschließen würden.