Aktivistis deplatzieren dänisch-deutschen Grenzzaun
– Artikel gefunden auf: https://de.indymedia.org/node/68253
26.02.2020: Heute Nacht haben wir 22Meter des Zauns entlang der dänisch-deutschen Grenze nahe des Ortes Ellhöft, des Naturschutzgebiets Schwansmoor und der Region Töndern entfernt.
Einige demontierte Elemente des Zauns sind in Flensburg, Süderlügum, Ellhöft und Kiel ausgestellt. Daran befestigt sind Infoplakate über den Zaunbau, seiner nationalistischen und rassistischen Symbolik und die Problematik der Schweineindustrie. Wir schreiben dort, warum eine Welt ohne Grenzen eine bessere Welt wäre und zeigen Fotos von anderen Grenzen. Vorbeikommende können dort auch nachlesen, welche Tierarten besonders von den ökologischen Folgen der Absperrung betroffen sind. Wir laden alle Menschen herzlich ein sich selbst ein Bild von der Aktion zu machen:
Koordinaten des freien Grenzübergangs: 54°54’08.6″N 8°56’56.4″E
Ausgestellte Zaunelemente:
- Gemeindezentrum Ellhöft: Dorfstraße 18, 25923 Ellhöft
- Supermarkt Nielsen: Hauptstraße 50, 25923 Süderlügum
- Nordertor Flensburg: Norderstraße 138, 24939 Flensburg
- Kiel Rathausplatz
Begründung:
In einer Zeit, in der weltweit, europaweit und hier vor Ort nationale Grenzen ausgebaut, zunehmend überwacht und abgeschottet werden, haben wir durch die Aktion ein Symbol des Rechtsnationalismus einfach wieder abgebaut. Abgebaut werden sollte auch die Schweineindustrie, die durch den Zaun angeblich bzw. vergeblich geschützt werden soll. Denn die Branche hat nicht nur die Ursachen für den Ausbruch der Schweinepest durch Massentierhaltung und weite Transportwege selbst geschaffen, sondern ist verantwortlich für zahlreiche Umweltproblematiken und Tierleid. Während der Zaun für die Schweineindustrie und nationaldenkende Chauvinist*innen eine rein symbolische Wirkung hat, ist die Barriere für viele Wildtiere ein reales Problem.
Wir möchten mit der Aktion jede*n ermutigen, sich über die Grenze zu denken und zu bewegen, als sei sie nicht da. Wir – als Gesellschaft und als widerständige Menschen – können eure einschränkende Symbolpolitik so nicht stehen lassen. Besorgt euch 10er-Schlüssel, Bolzenschneider und Schreibmaschine und macht mit! Zusammen können wir Brücken über den Grenzwassergraben bauen, den Zaun aufschrauben, ausgraben und wegknipsen und abflexen, Überwachungskameras an den offiziellen Übergängen kreativ ausschalten und gegen rassistische Kontrollen aufbegehren. Wir müssen zu denen halten, die sich dabei einer ungleich größeren Gefahr und Gewalt aussetzen, wie den Geflüchteten, die vor 4 Wochen bei dem Versuch, die serbisch-ungarische Grenze zu überqueren, mit Schüssen bedroht wurden.
Wir müssen das infrage stellen, was durch Grenzen geschützt werden soll – seien es angeblich überlegene „Werte“ oder Wirtschaftsinteressen. Obwohl die Menschen in Deutschland und auch nördlich des Wildschweinzauns immer weniger Fleisch essen, wächst die Tierindustrie kontinuierlich. Mit ihr wachsen auch die Nitratbelastung durch Gülle und der globale Klimaschaden. Knapp ein Fünftel der in Deutschland und etwa 90% der in Dänemark geschlachteten Schweine werden für den Export getötet. Ein Großteil des Fleisches (mit wachsender Tendenz) wird nach China ausgeführt. Schweine werden immer häufiger in Großbetrieben zusammengepfercht. Solange sie dort auf wenig Platz, teilweise von ihrem übermäßigen eigenen Körpergewicht niedergedrückt in ihren Exkrementen liegend, erschöpft und immungeschwächt und präventiv mit Medikamenten gefüttert leiden, kann kein Zaun verhindern, dass unter ihnen Epidemien ausbrechen. Dabei weist sogar das FLI (Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit) darauf hin, dass das Hauptrisiko für eine Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest menschliches Verhalten sei. Das Virus wird in den toten Körpern infizierter Schweine, zum Beispiel in roher Wurst, hunderte Kilometer weit befördert, klebt unter Schuhsohlen und in den Rillen von Autoreifen und kann durch Jagdtourismus eingeschleppt werden.
Noch dazu erscheint die Auswahl des Orts, wo der „Wildschweinzaun“ gebaut wurde, reichlich schräg: In der Region gibt es nahezu keine Wildschweine. Und als 2018 das Dänische Parlament den Zaunbau beschloss, waren im Umkreis von über 700 km (!) des Grenzgebiets noch nie infizierte Schweine gefunden worden. Ohnehin kann sich das Virus auf direktem Weg – also von Wildschwein zu Wildschwein – jährlich nur bis zu 20 km weit ausbreiten.
Dagegen passt der Zaun in seiner Symbolik perfekt zu zunehmender Hetze und Hass gegen Migrant*innen. Seit 2016 finden an allen großen Straßen in Richtung Norden Personenkontrollen statt. Sie wurden als „nur vorübergehend“ angekündigt, wahlweise mit der „Abwehr“von Geflüchteten oder von Terrorismusgefahr begründet und haben sich seitdem immer weiter verschärft. Kontrolliert wird „stichprobenartig“ (übersetzt: anhand rassistischer Kriterien)auch in Bussen, Zügen und an Fähranlegern. Etwa 30-50 Menschen werden dabei pro Woche abgewiesen. Seit 2017 werden auch bewaffnete Soldat*innen an den Kontrollhäuschen eingesetzt. Dazu kamen das automatische Scannen aller Nummernschilder an allen kleinen Straßen, unregelmäßige Personenkontrollen durch Polizeistreifen und Zivilwagen sowie Kontrollen aus der Luft.
Die Idee, die dänisch-deutsche Grenze mit einem Zaun abzusperren, entsprang also nationalistischer Fantasie. Die zugrunde liegende Denkweise entpuppt sich als zutiefst rassistisch: Immigrant*innen aus bestimmten Teilen der Welt werden nicht als Menschen gedacht und behandelt. Man will sich von ihnen durch einen Zaun abschotten, der für Wildschweine konzipiert ist. Unter der letzten Regierung bestand der Plan, unerwünschte Geflüchtete auf der winzigen Insel Lindholm zu isolieren. Die Insel ist abgeriegelt, weil sich dort bisher zur Erforschung von Tierseuchen infizierte Tiere befanden. Die zuständige Ex-Ausländerministerin Støjberg, das Arschloch, wollte die Lebensbedingungen in dem geplanten Abschiebelager „so unerträglich wie möglich“ gestalten.
Während sich die Welt immer weiter abschottet, wachsen ökologische Probleme, die nur gemeinsam über Land und Ozean hinweg gelöst werden können. Auch Zäune sind ein ökologisches Problem. Weltweit werden die Wege, die Tiere zurücklegen, immer weiter eingeschränkt: durch Straßen, Bahntrassen und nationale Grenzabsperrungen. Wenn Tiere nicht wandern können, verhindert das genetischen Austausch und macht sie krank. Manche müssen im Verlauf der Jahreszeiten wandern können oder um sich Klimaveränderungen anzupassen und transportieren dabei Pflanzensamen und Biomasse.
Etwa acht km östlich von der Stelle, wo wir den Zaun entfernt haben, befindet sich ein Wäldchen beiderseits des Zauns, einige Kilometer südlich davon das Naturschutzgebiet Schwansmoor und Kranichmoor und auf den umliegenden Feldern sind häufig Rehe zu sehen. An dem parallel verlaufenden Wassergraben, der Süderau zeugen Fußspuren davon, dass die Tiere hier queren und gewohnt waren, sich dabei nicht vom soziopolitischen Grenzverlauf stören zu lassen. Von den Schlupflöchern für igelgroße Kleintiere, von denen 20 verteilt auf 70 km Zaunlänge eingebaut sein sollen, ist hier nichts zu sehen. Mehrere Rehe und ein Rothirsch haben sich schon an dem Zaun verletzt. Auch auf Fischotter, Füchse, Wölfe und Goldschakale kann der Zaun sich problematisch auswirken.
Die Menschen, die hier leben, wehren sich durch Kunst, Petitionen und Demos
Wir finden es logisch, den 8 Mio € teuren „Sachschaden“ selbst zu beseitigen!
For freedom of movement for all (beings)!