Vor wenigen Tagen erreichte uns eine Gegendarstellung zur Berichterstattung des SHZ im Vorfeld der anstehenden Gerichtsprozesse, wegen der Räumung der Luftschlossfabrik. Zu dokumentarischen Zwecken wird diese hier veröffentlicht.

Gegendarstellung zum Artikel der SHZ, erschienen am 22.03.2017 unter der Überschrift: Erst Luftschloss, jetzt Amtsgericht von Holger Ohlsen

Ich als Angeklagter im Verfahren vom letzten Freitag (darauf nimmt der Artikel Bezug) sehe mich durch den heutigen Artikel genötigt, eine Gegendarstellung abzugeben. Der Artikel ist insgesamt unsachlich, teilweise falsch und dient in meinen Augen nicht einer neutralen Darstellung, sondern schlicht der Meinungsmache gegen emanzipatorische Politik in Flensburg.

Die Kritikpunkte im Einzelnen:

1. In dem Artikel werden Vorgänge zusammen geworfen, die nichts miteinander zu tun haben. Der Vorgang wegen dem ich vor Gericht stand hatte überhaupt keinen Bezug zur Luftschlossfabrik. Ohlsen behauptet, das Publikum bei meinem Prozess seien „Luftschloss-Sympathisanten“ gewesen und ich würde der Luftschlossfabrik „nur nahe“ stehen. Woher Herr Ohlsen diese Einschätzungen nimmt bleibt unklar, denn er war nicht beim Prozess anwesend. Seine Informationen hat er wahrscheinlich vom Gerichtssprecher, was auch die im weiteren Artikel auftauchenden sehr einseitigen Darstellungen und Fehler erklären könnte.

2. Der Bericht enthält falsche Behauptungen:
Der Prozess wurde nicht 41 mal unterbrochen. Dies ist schlicht falsch. Es gab insgesamt in den sieben Stunden lediglich fünf Pausen.
Auch die Behauptung, die Gerichtsordner seien „gerade noch ausreichend“ gewesen ist an den Haaren herbei gezogen. Nach einer polizeilichen Warnung an das Gericht, dass mit Störungen zu rechnen sei (diese Warnung erhielt ich als Angeklagter trotz Antrag nicht ausgehändigt und in den Akten taucht sie auch nicht auf) entschied sich Richter Gers im Vorfeld der Verhandlung diese in einen Saal zu verlegen, der separate Einlasskontrollen nur für meinen Prozess ermöglichte und es erging extra für meinen Prozess eine Einlassverfügung, die penible Kontrollen anordnete. Mir wurde mit Bezug auf diese Verfügung sogar meine Wasserflasche weggenommen.
Ich hätte nicht wie geschrieben schlicht 75 Euro zahlen können und die Sache wäre vom Tisch gewesen. Der Strafbefehl gegen mich über 300 Euro wäre zwar auf Bewährung gewesen, das zu akzeptieren hätte jedoch eine rechtskräftige Verurteilung ohne Prozess bedeutet. Es handelte sich also hier mitnichten um ein Einstellungsangebot, sondern um die Möglichkeit, mich schriftlich verurteilen zu lassen, ohne mich gegen die Vorwürfe wehren zu können.

3. Die Darstellung ist einseitig und abwertend.
Dass das Gericht aus meinem Verteidgungsverhalten meint ableiten zu können, wie sich andere Menschen in anderen Fällen verteidigen werden ist offenkundig absurd. Warum der shz an dieser Stelle die Gerichtsdarstellung kritiklos übernimmt erschließt sich mir nicht.

Ich habe mich in der Verhandlung nicht zu den Vorwürfen eingelassen. Dies habe ich auch damit begründet, dass erfahrungsgemäß Polizeizeugen vor Gericht Glauben geschenkt wird, egal wie absurd ihre Geschichten sind. Ich sah daher schlicht keinen Sinn darin, eine Aussage zu machen. Die Zeugenvernehmungen und das Urteil von Freitag haben diesen Eindruck auch bestätigt: Obwohl sich beide Zeugen nur an exakt das „erinnerten“, was sie in ihrem damaligen Bericht aufgeschrieben hatten und keinerlei darüber hinausgehende Fragen beantworten konnten schätze das Gericht deren Aussagen als glaubwürdig ein. Das ändert nichts daran, dass die mir vorgeworfene Äußerung nie gefallen ist. In der Sachverhaltsdarstellung der Polizei steht, die Beamten würden sich nur noch „sinngemäß“ an das erinnern, was ich gesagt hätte. Dies schrieben sie keine zwei Tage nach dem Vorfall. Letzte Woche vor Gericht wollten sie sich dann aber plötzlich ganz genau daran erinnern. Aus der Akte wie auch aus der Verhandlung etstand vielmehr der Eindruck, dass es mein ungehorsames Verhalten der Polizei gegenüber war, wofür sich die Beamten mit der Anzeige rächen wollten. Dies steht fast wörtlich sogar in der Akte, doch dafür interssierte sich das Gericht nicht. Es stand von Anfang an fest, dass es eine Verurteilung geben würde.

Mein Recht, Beweisanträge zu meiner Entlastung zu stellen wurde bereits nach dem dritten Antrag als reine Prozessverschleppung bezeichnet. Dieser Einschätzung von Staatsanwalt Truknus schloss sich der Richter weitgehend an. Dass ich solches Verhalten und die Weigerung meine Anträge überhaupt zeitnah zu entscheiden nicht kritiklos hinnehme ist keine Verschleppung, sondern mein gesetzlich verankertes Recht als Angeklagter.

Die Länge des Verfahrens für einen angeblichen „Bagatelltermin“ wird mir angelastet. Angesichts der unbegründeten Einlassverfügung, der Verlegung in einen anderen Saal und den separaten Einlasskontrollen ist das schon eine fragwürdige Einschätzung. Ich habe im dann folgenden Lauf der Verhandlung von meinen Rechten als Angeklagter Gebrauch machen wollen. Diese hat mir das Gericht jedoch wiederholt und grundlegend verweigert. Dass mir dies nun angelastet werden soll wie es der Artikel tut macht mich sauer – So habe ich zum Beispiel als Verteidigerin eine Person beantragt, die bereits in zahlreichen Strafverfahren verteidigt hat. Da sie keine studierte Juristin ist hätte das Gericht der Zulassung zustimmen müssen. Das Gericht hat dies abgelehnt, obwohl das Gesetz regelt, dass die Zulassung nur in Ausnahmefällen verweigert werden darf. Einen Antrag auf die Zulassung einer anderen Person, damit ich nicht alleine vor Gericht stehen muss, entschied das Gericht (gänzlich ohne dass die Strafprozessordnung das vorsehen würde), obwohl ich ihn vor den Zeugenvernehmungen stellte erst am Ende der Verhandlung- offenkundig eine Farce. Es war beabsichtigt, dass ich unverteidgt agiere, weil das Gericht hoffte, mich dann schneller verurteilen zu können.

Die unkritische Berichterstattung über die Einstellungen der Verfahren gegen die Polizei rundet das Bild ab. Obwohl es hier eindeutige Videobeweise für die Gewalttaten gegen Demonstrierende gibt, werden Verfahren gegen die Polizei eingestellt. Darauf wirft Herr Ohlsen keinerlei kritischen Blick und reproduziert schlicht die Darstellung der Staatsanwaltschaft wonach hier ja nur „Auschnitte“ des Geschehens zu sehen seien.