Am Montag, dem 5.02., werde ich meine zweiwöchige Haftstrafe in der Lübecker JVA antreten. Ich wurde im Juni 2017 vom Amtsgericht Kiel dafür verurteilt , dass ich eine Torte auf die AfD-Politikerin Beatrix von Storch geworfen habe. Für die „Beleidigung“ der Politikerin, die gerne auf Menschen an den Grenzen schießen lassen will und Flüchtlinge als „barbarische, muslimische, gruppenvergewaltigende Männerhorden“ bezeichnet, sollte ich eine Geldstrafe zahlen. An dieser Stelle möchte ich erzählen, warum ich mich dafür entschieden habe die Geldstrafe im Knast ab zu sitzen.

Eines möchte ich direkt vorweg klarstellen: Es hätte genügend Geld gegeben, um die 150 Euro zu bezahlen – es gab sogar einige konkrete Angebote diesbezüglich von solidarischen Gruppen und Freund*innen von mir.

Das ich das Geld nicht bezahle ist in erster Linie eine politische Entscheidung. Ich möchte damit zeigen, dass der Staat auch soweit geht, Menschen für kreative Proteste gegen die AfD und deren rassistische, sexistische und homophobe Politik einzusperren. Jetzt könnte man entgegen, dass ich selbst mich durch meine Entscheidung in den Knast bringe. Meine zuständige Rechtspflegerin erklärte mir sogar bei einem Telefonat, dass „sie mich ja gar nicht für eine Straftäterin hält, aber sie ja leider trotzdem die Strafe vollstrecken muss.“. Damit leugnet sie, dass sie sich selbst für diesen Job entschieden hat und täglich neu dafür entscheidet. Ich könnte nicht in den Knast gehen, wenn es nicht Menschen wie sie gebe, die aus „Erfüllung ihrer beruflichen Pflicht“ heraus Strafen vollstrecken und die Türen der Gefängnisse geschlossen halten.

Alleine das es möglich ist für einen Tortenwurf in den Knast zu kommen deutet auf die Absurdität von Knästen hin. Noch deutlicher wird diese, wenn man sich anschaut wofür andere Menschen so eingesperrt werden. Da wären zum Beispiel Menschen, die einfach nur ihr Bedürfnis nach Bewegungsfreiheit ausleben und dafür eingesperrt werden, weil sie damit gegen die Residenzpflicht verstoßen haben, „illegal“ Grenzen überquerten oder aber einfach nur ohne Fahrkarte Zug gefahren sind. Oder auch Menschen, die es gewagt haben frei über ihren eigenen Körper zu entscheiden und damit gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen haben. Und bei all dem soll das Individuum den Fehler auch noch bei sich selbst suchen und wird dadurch von gesamt-gesellschaftlichen Missständen abgelenkt.

Gesetze sorgen dafür, dass Menschen aufhören selbst darüber nachzudenken, was für sie persönlich moralisch legitim ist. Die Verantwortung dafür wird auf den Staat mit seinem Gerichtssystem abgeschoben. Gleichzeitig führen Gerichte und Strafe dazu, dass bei einer gesamten Gesellschaft die Fähigkeiten zur Konfliktlösung verkümmern. Dabei gibt es in diesem Bereich so spannende Ansätze und Ideen. Methoden wie „restorative justice“ (http://restorativejustice.org) oder Mediation werden heute schon in vielen Bereichen erprobt und erfolgreich angewendet.

Im Gegensatz zu diesen Methoden sind Strafe und Knast nicht dazu geeignet gesellschaftliche Konflikte zu lösen. Denn die Ursachen für Kriminalität werden nicht angegangen. Um beim Beispiel des Schwarzfahrens zu bleiben: Wer vorher das Geld für ein Zugticket nicht hatte wird es auch danach nicht haben. Stattdessen droht die Gefahr, dass Menschen bei einem längeren Knastaufenthalt ihren Job oder auch ihre Wohnung verlieren und sich danach in einer noch präkereren Situation als vorher befinden. Die Bedingungen der Haft selbst verstärken die Gefahr weiterer Verarmung. Bei gerade stattfindenden Protesten in der JVA Neumünster beschwerten sich Gefangene zum Beispiel darüber, dass es für ihre dortige Arbeit keinen Mindestlohn und keine Einzahlung in die Rentenkasse gibt und sie gleichzeitig überteuerte Einkaufspreise zahlen müssen. 1-2 Euro Stundenlohn sind im Knast keine Seltenheit, sondern trauriger Standard.

Meine Strafe wird auch nichts daran ändern, dass die Politik der AfD homophob, rassistisch und menschenfeindlich ist. Während ich im Knast bin werden weiterhin Menschen im Mittelmeer ertrinken und fast täglich Flüchtlingsheime angegriffen werden. Daher werde ich auch in Zukunft mit allen Mitteln, die ich für notwendig halte, Widerstand gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck leisten.

Wenn ich Menschen aus meinem politischen Umfeld von meinem Knast-Aufenthalt erzähle bekomme ich häufig zu hören wie „mutig“ sie meine Entscheidung finden. Natürlich freue ich mich über die solidarischen und unterstützenden Reaktionen. Aber für mich hat mein Knast-Aufenthalt nichts mit Mut zu tun. Ich bin unsicher und nervös und angespannt-neugierig auf die Erfahrung. Gleichzeitig habe ich das Gefühl in einer unglaublich privilegierten Situation zu sein. Denn – im Gegensatz zu den meisten Häftlinge – kann ich im Notfall jeder Zeit das Geld zahlen und habe ein Netzwerk aus solidarischen Menschen im Rücken. Die meisten Gefangenen werden von ihrem sozialen Umfeld stigmatisiert und ausgegrenzt.
Ich stattdessen weiß, dass es Menschen gibt die Briefe schreiben, Gerichtsprozesse begleiten, Pressemitteilungen schreiben, Flyer designen, Transpis malen, mir durch ihre Musik Kraft geben, sich um nervigen Orga-Kram kümmern oder bis spät in die Nacht wach bleiben, um sich meine Ängste anzuhören. Ohne all dies wäre es für mich nicht möglich in den Knast zu gehen. Und eigentlich ist es eher beliebig, dass ich diesmal diejenige bin, die im Knast landet. Denn die meisten dieser Aufgaben habe ich bei anderen Aktionen schon mal selbst übernommen. Es ist für mich ein wichtiger Teil politische Arbeit jede Mal neu auszuloten, mit welcher Aufgabe ich mich gerade wohlfühle und mit welchen Fähigkeiten und Ressourcen ich mich einbringen kann.
Jetzt trifft es mich, aber gemeint sind wir alle. Diesmal ist mein Platz eben im Knast, aber bald schon werde ich wieder hinter den Barrikaden stehen. Hoffentlich gemeinsam mit euch.