So langsam bekomme ich eine gewisse Routine. Ich stelle mir keinen Wecker, sondern werde jeden Tag vom Schlüsselrasseln geweckt. Ich weiß, wann die Mahlzeiten sind ( 6:45, 11:45 und 17:30) und habe heute morgen alle Anträge und Briefe rechtzeitig abgegeben. Heute ist nicht viel passiert- den Großteil des Tages habe ich gelesen. Mir blieb auch kaum was anderes übrig. Da heute WärterInnen fehlten wurden wir schon um 17 Uhr, also drei Stunden früher als sonst, in der Zelle eingeschlossen. Dadurch sind auch Sport und der einmal wöchentliche Bücherei- Besuch ausgefallen. Ich verstehe nun warum einige Gefangenen- Gewerkschaften mehr Personal fordern. Ich habe eine zwiegespaltene Meinung zu dieser Forderung- einerseits sehe ich die Chancen den Alltag durch mehr Personal angenehmer zu gestalten. Aber gebe es niemanden der diesen Job macht, wären auch keine Gefängnisse möglich.
Heute habe ich zudem erfahren, dass ich mich meinem Haftantrittstermin echt Glück hatte. Die 4 Tage vorher waren sämtliche Duschen abgesperrt, weil es Probleme mit der Temperatur- Regulation des Wassers gab.
Heute kam der zweite Schwung Post und so langsam ist meine Pinnwand voll. Postkarten mit jedweden Motiven kommen an, aber beigelegte Fotos und (ausgedruckte) Zeitungs-Artikel wurden mir weggenommen. Ich soll ausrichten dass ihr mir keine Beilagen schicken sollt. Das habe ich hiermit getan, aber ihr ahnt hoffentlich alle, was ich davon halte.
Und noch was zu Eigentumsvorbehalten: vorm Knast habe ich das immer für voll wichtig gehalten. In der Realität hab ich jetzt festgestellt, dass die BeamtInnen bei mir sowas kaum beachten. Alle Briefe landen erstmal auf der Station und werden dann vor meinen Augen geöffnet. Zum Text lesen hat die Beamtin keine Zeit – sie sortiert einfach nur verbotenes raus und schickt es auf die Habe. Nur bitte schließt nicht auf andere Knäste – mag sein dass das anderswo wichtiger ist.
Der Pastor hat mir einen Text von Erving Goffmann zu totalen und zu totalitären Institutionen und das Buch „Frauenknast“ von Karl Heinz Keppler gegeben. Die nächsten Tage wollte ich einen Text zu den psychischen Auswirkungen einer Haft schreiben. Vielleicht kennt ihr die AutorInnen ja? Oder habt noch eine weitere Textempfehlungen?
Das Bild von dem Reiter mit dem Höcke-Zitat hat mich sehr gefreut. Höckes: „Wir müssen unsere Männlichkeit wieder entdecken. Denn nur wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken, werden wir mannhaft. Und nur wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft, und wir müssen wehrhaft werden, liebe Freunde!“ hat mich ermutigt auch meine Weiblichkeit neu zu entdecken. Wenn ich aus dem Knast raus bin fange ich womöglich gar mit schminken an – danke für diese Inspiration! Endlich kann ich einen rechtschaffenen Weg einschlagen.
Auch ein Danke für Säge und Ausbruchswerkzeug. Leider habe ich nicht ganz verstanden, wie das Werkzeug funktioniert. Sicher hilft mir eine Mitgefangene bei der Bedienung.
Ich würde mich gern bei allen einzeln bedanken, aber ich hab ein wenig den Überblick verloren was von wem kam.
Anmerkungen der Soli Gruppe:
Bücher und natürlich auch Zeitschriften sollten mit einem schriftlichen Eigentumsvorbehalt für den Fall versehen sein, dass sie der Gefangenen nicht persönlich ausgehändigt, sondern wegen ihres nicht genehmen Inhalts zurückgehalten werden. Damit soll verhindert werden, dass ein Buch nutzlos bei der „Habe“ der Gefangenen liegt, ohne dass sie drankommt, sondern dass die Anstalt in solchen Fällen das Buch an die Absenderin zurückschickt. Ob das dann wirklich passiert, ist eine andere Sache. Eine Möglichkeit ist auch, das Buch offiziell als Leihgabe zuzusenden. (Zitat aus „Wege durch den Knast“) Das gilt ebenso für Briefumschläge, Fotos, Poster… (je nach Notwendigkeit)
Durch einen Eigentumsvorbehalt kann Mensch außerdem den Knast dazu zwingen die nicht Aushändigung zu Begründen. Das hat auf der einen Seite einen gewissen „Unterhaltungswert“ das Mensch sich durchlesen kann mit welchen absurden und willkürlichen Begründungen Dinge zurückgehalten werden. Zum anderen gibt eine Begründung auch eine Argumentationsbasis um ein Aushändigen einzuklagen.
Eine mögliche Formulierung dazu lautet:
Eigentumsvorbehalt: Dieser Brief bleibt solange Eigentum der* Absenderin* bis er dem*r Gefangenen persönlich ausgehändigt wurde. „Zur Habe Nahme“ gilt nicht als persönliche Aushändigung im Sinne des Vorbehalts. Sollte ein Teil des Briefes nicht ausgehändigt werden,so ist dieser und nur dieser Teil unter Angabe der Gründe für die Nichtaushändigung an den*die Absender*in zurückzusenden. Der Rest ist auszuhändigen.