Einmal spricht mich eine Gefangene an, dass ich „nicht so mit den Türen bollern soll, weil wir sonst alle Ärger kriegen.“ Erst vermute ich, sie spielt auf irgendwelche Gruppenstrafen an. Ein paar Tage später motzt sie mich deutlicher an und spricht diesmal davon, dass sie selbst genervt sei. Was sich erst ein wenig banal an, zeigt ein weiteres typisches Gefängnis-Verhaltens-Muster: Man lernt auf Autoritäten außerhalb von einem selbst zu hören. Sie benutzt erst den Verweis auf äußere Autoritäten anstatt darauf zu vertrauen, dass ihre eigene Meinung wichtig genug ist, um gehört zu werden. Generell sind Gefängnisse rein strukturell darauf ausgerichtet Menschen Disziplin und Ordnung bei zu bringen. Kritisches Denken und Hinterfragen wird, wie ich selbst erleben durfte, schnell als Befehlsverweigerung interpretiert und notfalls mit disziplinarischen Strafen unterbunden. Ein hingerotztes „Weil ich das sage.“ ist eine Standardantwort vieler Beamter. Wer hingegen lieb und angepasst ist, kommt besser durch. Wer dann auch noch glaubwürdig heucheln kann wie leid einem die eigene Straftat tut kommt vielleicht sogar früher raus. Vielleicht ist es weit hergeholt: Aber das Milgram-Experiment zeigt deutlich, was passiert, wenn Menschen Autoritäten gehorchen ohne zu hinterfragen.
Auch angekündigte Belohnungen wirken. Bei mir selbst habe ich das zum Beispiel daran gemerkt, mit welchem Eifer ich daran gedacht habe im Flur Schuhe zu tragen, nachdem mir angekündigt wurde ich könne vielleicht in den offenen Vollzug. Wenn denn alles gut läuft. Unter anderem Umständen hätte ich vielleicht meinen Spaß daran gefunden Grenzen aus zu testen und zu schauen, wie weit ich gehen kann. Ich rede mir ein, dass es rein strategisch schlauer war das Barfuß-Laufen dem zukünftigen Handy zu opfern. Vielleicht war es das tatsächlich. Aber so richtig wohl fühle ich mich dabei nicht. Umso mehr freue ich mich über jeden klammheimlichen Akt des Widerstands der mir gelingt. Daraus schöpfe ich Kraft.