Zur weiteren Anonymisierung packe ich möglichst viele Gespräche mit Mitgefangenen in einen Text. Dadurch wird unklar(er) welches Gespräch wo und wann stattfand.
Briefe
Teils kommen Briefe erst 3 Wochen zu spät an oder gehen manchmal gar komplett verloren. Auch ohne verordnete Postkontrolle kamen Briefe schon geöffnet an – ohne Postkontrolle dürften Briefe nur im Beisein der Gefangenen geöffnet werden.
Beschwerden
Bei schriftlichen Beschwerden gibt es kaum Möglichkeiten diese nach zu verfolgen. Einen Beleg über die Einreichung von Beschwerden oder Anträgen gibt es auch nicht. Mensch weiß also nicht, ob damit überhaupt etwas passiert. Eine Gefangene gibt mir den Tipp bei Beschwerden nicht das Thema direkt aufzuschreiben, sondern einen Antrag auf ein Gespräch mit der Anstaltsleitung zu stellen. Dann sei klarer nachvollziehbar was passiert.
Post an die Abteilungsleiterin darf zugeklebt und nur von dieser gelesen werden. Bei Beschwerden über BeamtInnen wird die Leiterin natürlich trotzdem in der Dienstbesprechung mit diesen darüber reden. Und wem wird wohl in der Regel eher geglaubt, wenn BeamtInnen und Gefangene die selbe Situation schildern? (Ein ähnliches Problem ist übrigens aus Anzeigen gegen PolizistInnen und bei PolizeizeugInnen vor Gericht bekannt. Auch hier wird pauschal den Bullen mehr geglaubt.)
Im besten Fall wird noch ein klärendes Gespräch versucht und am Ende ist die Gefangene wieder einer Beamtin ausgeliefert, die sich nun auch noch über die Beschwerde bei der Chefin ärgert. Ob sowas mutwillig geschieht, ist dabei erst mal egal – das Problem liegt in der Struktur. Neutrale, vertrauliche Ansprechpersonen fehlen und das Machtgefälle zwischen BeamtInnen und Gefangenen ist zu groß. Für Gefangene gibt es keine Möglichkeit unangenehmen BeamtInnen auszuweichen.
Auch bei Konflikten mit anderen Gefangenen fehlen neutrale MediatorInnen. Offiziell sind die BeamtInnen zwar ansprechbar bei Problemen, aber wer so etwas macht gilt schnell als Petze.
Toiletten und Duschen
Auf einer der Frauenstationen gibt es keine Toiletten auf den Zellen. Immer wenn man aufs Klo will, muss man nach den BeamtInnen klingeln. Dafür gibt es auf dieser Station auch längere Aufschlusszeiten und deshalb sind einige lieber dort. Auf Antrag kann man auf eine andere Station verlegt werden. Dass vor meiner Ankunft die Duschen vier Tage lang gesperrt waren ist wohl keine Ausnahme gewesen. Die Gebäude sind alt und immer wieder – gerade im Winter – gehen Wasserrohre kaputt. Dann gibt es eben für mehrere Tage keine Dusche oder kein warmes Wasser.
Auswirkungen der Haft
Einige Gefangene betonen immer wieder, dass ihnen die Haft auch was Gutes gebracht hat. Eine erzählt mir, dass es hier Hilfe für Obdachlose und Suchtkranke gäbe, Menschen bei der Wohnungssuche unterstützt werden, Klavier lernen können oder als AnalphabetInnen lesen und schreiben lernen. Wer nicht schreiben kann bekommt von den BeamtInnen praktische Hilfe für Anträge. Aber auch der strikte Tagesablauf hilft einigen.
Das Knast auch von den Gefangene als hilfreich emfpunden wird, will ich diesen nicht absprechen. Ich will auch nicht so tun, als würden sich alle nur versuchen ihren schrecklichen Aufenthalt schön zu reden. Das würde an der Realität vorbei gehen. Aber ist es nicht ein Armutszeugnis für eine Gesellschaft, wenn man Menschen erst einsperren muss, um ihnen lesen bei zu bringen oder damit sie ein Dach über dem Kopf haben? Müsste es nicht anders möglich sein allen ein gutes Leben zu ermöglichen?
Denn Knast hat auch einige Nebenwirkungen, die man nicht unterschätzen sollte. Mir wird von Frauen berichtet, die voller Lebensfreude reinkamen und die nach wenigen Monaten Knast nur noch apathisch und depressiv vorm Fernseher rumhängen. Einige verbringen gar den Großteil ihrere Zeit hier vorm Fernseher oder der Playstation. Warum sollte man auch gerade im Knast altbekannte Verhaltensmuster ändern? Auch das getrennt sein von Kindern oder Lebenspartner macht vielen zu schaffen.
Eine erzählt mir, wie hart es für sie gewesen sei, als ein ihr nahestehender Mensch gestorben ist, während sie im Knast war. Eine Möglichkeit zum Verabschieden gab es nicht. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass viele Frauen hier (nicht alle!) beträchtliche Schicksalsschläge erlebt haben. Vernachlässigung im Elternhaus ist die Regel, häufig gefolgt von Vergewaltigungen, „Karrieren“ im Drogen-Milieu und ähnlichem. Wie es der Pastor so schön gesagt hat: „Armut ist strafbar.“ Wer Geld und ein halbwegs ruhiges Leben hatte, landet selten im Knast.
Wünsche und Träume
Die meisten Frauen haben dennoch sehr bodenständige Wünsche für die Zeit nach dem Knast. Eine spart gerade auf ihren Führerschein – 4/7 ihres monatlichen Lohns (240 Euro) landet zwangsweise im Topf fürs Überbrückungsgeld, welches erst nach dem Knastaufenthalt ausgezahlt wird. Andere träumen von der typischen Familienidylle mit Haus, Mann und Kind. Den meisten ist bewusst, dass solche wie eine sagt „rosaroten Träume“, oft nicht klappen. Eine andere möchte endlich weg von den Drogen und „einfach mal leben. Schwimmen gehen, reiten oder mal in den Urlaub fahren.“ Am liebsten als Streetworkerin anderen dabei helfen von den Drogen los zu kommen. Gerne auch ehrenamtlich, Hauptsache was sinnvolles tun. Leider wird das wohl ohne Schulabschluss schwierig werden.
Beziehungen im Knast
Richtige Freundschaften wirst du im Knast kaum finden. Meist sind es nur Zweckbeziehungen, weil man miteinander zu tun haben muss. Eine Gefangene beschreibt es wie folgt (sinngemäß): „Knast hat mich härter, aggressiver und misstrauischer gemacht. Hier drinnen wird viel gelästert. Draußen mag man ja auch 80-90% nicht und geht sich dann einfach aus dem Weg.“
Auch ich selbst merke, dass ich schon nach wenigen Tagen deutlich misstrauischer bin. Immer wenn jemand etwas nettes tut, mich beispielsweise in der Essensschlange vorlässt oder fragt, ob ich ihr Shampoo mitbenutzen mag, frage ich mich, was dafür im Gegenzug erwartet wird. Gleichzeitig mache ich mir Sorgen damit meinem Gegenüber, das vielleicht wirklich nur nett sein wollte, unrecht zu tun. Ich bin froh, dass ich nicht lang genug drin bin, um mir solche misstrauischen Verhaltensmuster dauerhaft einzuprägen, widersprechen sie doch fundamental dem, wie ich mir den Umgang mit anderen Menschen wünsche.
Nervig ist auch, dass im Knast fast alles übers Tauschen funktioniert. Auch wenn das eigentlich verboten ist. Getauscht werden kann fast alles: Tabak, Telefon-Guthaben, Drogen, Süßigkeiten usw. Deshalb lohnt es sich auch als Nicht-Raucherin Tabak mit rein zu nehmen.
Etwas verschenken ist kaum möglich – dann hat man sofort Frauen auf dem Hals, die immer mehr haben wollen.