In diesem Text soll es um Gentrifizierung und um Freiräume gehen. Dass Freiräume durch Gentrifizierung bedroht werden, ist schon fast ein alter Hut. Genauso wie zu erklären, was es mit Gentrifizierung auf sich hat. Deswegen verzichten wir auf lange und komplizierte Theorien, die sich mit der kapitalistischen Aneignung und Nutzbarmachung von Freiräumen beschäftigen, oder erklären wie Gentrifizierung mit der Privatisierung des Öffentlichen und der Ökonomisierung des Sozialen zusammenhängt. Stattdessen kommen wir gleich zu unserem zentralen Punkt: Dem aktuellen Kampf für den Erhalt des Infoladens in Flensburg, der im Rahmen laufender Gentrifizierungsprozesse von der Schließung bedroht ist.
Der Infoladen Subtilus, der jetzt seit ca. 10 Jahren als autonomes Projekt existiert, ist zusammen mit einigen anderen Projekten einer der wichtigsten Freiräume in Flensburg. Er befindet sich in der Norderstraße neben dem ehemaligen Norderpark. Warum ehemalig? Das Bauunternehmen Höft hat den gesamten Norderpark und die beiden sich anschließenden Häuser aufgekauft. Damit ist Hermann Höft neuer Eigentümer und Vermieter des Infoladens. Höft kauft seit einiger Zeit in Flensburg Flächen auf. Die Häuser, die dort entstehen, sind mit unter Luxuswohnungen für reiche Flensburger_innen, wie z.B. „Klar-Schiff“ (näher am Wasser geht kaum noch) oder die Stadtvillen am Wasserturm im Volkspark, für die ein gutes Drittel der Kleingartenkolonie verschwindet. Gut, Kleingartenkolonie ist nicht jedermenschs Sache, aber eine solche Umwandlung von gemieteten Kleingärten (für solche, die sich ein eigenes Grundstück mit Garten nicht leisten können) in Privatgrundstücke für Reiche ist für uns eine Umverteilung von unten nach oben. Was heißt das in Zahlen ausgedrückt? Die Preise für die Stadtvillen sollen bei 125.000€ (70m²-Eigentumswohnung) losgehen und sich bis zu 550.000€ (120m²-Eigentumswohnung) steigern. Ein 120m² großer Garten kostet dort im Jahr ca. 60€ Miete. Klingt irgendwie nach Gentrifizierung, oder?
Aber was hat der Infoladen mit den laufenden Gentrifizierungsprozessen zu tun? Nachdem Höft im Norderpark anfing zu bauen, stiegen die Mieten in der gesamten Norderstraße. Das führte dazu, dass Mieter_innen ausziehen mussten, u.a. Greenpeace und Amnesty International. Die Miete im Infoladen liegt deutlich unter dem, was Höft als Vermieter für den (jetzt aufgewerteten) Standort einnehmen könnte, würde er an eine_n andere_n Betreiber_in vermieten. Das schien einer der Gründe zu sein, warum wir eines Tages die Kündigung im Briefkasten hatten. Dann hat Höft scheinbar Muffensausen bekommen, als sein Vorarbeiter ihm (laut Hören-sagen) mitteilte, dass „er aufpassen solle, das sei Szenegebiet“. Wie auch immer. Jedenfalls hat er die Kündigung wieder zurück gezogen und sich zu zwei persönlichen Gesprächen bereit erklärt. Bei diesen Mietvertragsverhandlungen hat er sich bereits mehr oder weniger konkret auf unsere zentralen Punkte eingelassen, was z.B. die Dauer (mindestens zehn Jahre), die Miethöhe (pauschal 100€ warm) und unser Selbstbestimmungsrecht angeht. Uns gegenüber hat er ausdrücklich betont, dass er den Infoladen als „soziales Projekt“ unterstützenswert fände. Höft rückt sehr gern seine unternehmerische Tätigkeit in den Bereich des sozialen Engagements. Dafür ist ihm kein Argument zu krude oder abwegig. Die inhaltliche Arbeit, die der Infoladen macht, ist bestimmt nicht durch Höft veranlasst und wenn sein „soziales Engagement“ darin besteht, uns für das dreifache der ursprünglichen Miete nicht rauszuwerfen, ist das eine dreiste Anmaßung. Aber zurück zum Verlauf. Als sein Mietvertragsentwurf eintraf, staunten wir nicht schlecht. Von unseren ursprünglichen Forderungen stand da nichts mehr drin. Stattdessen hatten wir den unglaublichsten Knebelmietvertrag aller Zeiten vorgelegt bekommen. Einige absurde Beispiele: Plakate mit unliebsamen Inhalten, also eigentlich alle mit politischer Aussage(!) könnten Anlass zur fristlosen Kündigung sein. An mehreren Stellen des Mietvertrags wird deutlich, das alles, was gegen Höft’s Interessen steht oder ihm an inhaltlichen Themen nicht schmeckt, Gründe für eine fristlose Kündigung sein könnten. Der Mietvertrag wäre auf lediglich zwei Jahre befristet, die Miete läge bei 300€ warm und Höft würde zunächst(!) aus wohltäterischen Beweggründen 200€ dem Infoladen spenden. Höft hat sich in dem Entwurf von allen Seiten juristisch abgesichert. Wir dagegen hätten keine Chance, den Infoladen in seiner jetzigen Form als autonomen Freiraum weiter zu erhalten. Da Höft bei den Gesprächen entweder nicht zurechnungsfähig war, anschließend Gedächtnisverlust erlitten hat oder beim Aufsetzen des Vertragsentwurf nicht mehr gefragt wurde, haben wir ihm einen Gegenentwurf mit unseren zentralen Punkten geschickt.
Wir fordern einen Mietvertrag, der den Infoladen legal(!) auf Dauer, wir sprechen hier nicht von ein paar Jahren, sondern von Jahrzehnten, als Freiraum erhält. Der Infoladen soll eine Möglichkeit für mehrere Generationen von Menschen sein, sich einzubringen, auszuprobieren, sich zu verwirklichen, selbstbestimmt zu leben und ihr Umfeld auch darüber hinaus kritisch nach ihren Vorstellungen zu gestalten, also all das, wofür ein Freiraum da ist. Wir lassen uns den Infoladen nicht wegnehmen! Wir fordern Höft auf, seiner Zusage nachzukommen und unseren Entwurf zu unterzeichnen!
Wir wollen keine Gentrifizierung, nicht in der Norderstraße, nicht in Flensburg, noch sonst wo. Alle, unabhängig vom Einkommen oder von der sozialen Schicht, haben das Recht zu entscheiden, wo und wie sie in einer Stadt leben, sich bewegen oder agieren. Die Stadt gehört allen! Keine Verdrängung, kein Ausschluss, sondern Recht auf Stadt!